Wolfgang Muthspiel-Trio in der Rüsselsheimer Jazzfabrik, 8. November 2017

Zwei altbekannte Partner, mit denen der Österreicher nach eigenem Bekenntnis bereit vor 25 Jahren spielte, beherrschen an diesem Abend in der Rüsselsheimer „Jazzfabrik“ selbst komplizierte Kompositionen wie die sakralen Kanons im Sechs-Achtel- oder dem ungeraden Fünf-Viertel-Takt. Bei letzterem transponiert der Gitarrist im Finale Anleihen und Zitate aus der Klassik. Nicht die einzelnen Instrumentalisten, sondern das Trio als komplexe Einheit findet unter der Leitung des Schlagzeugers Ballard nach Ausflügen zum ungeraden Fünf-Viertel-Metrum des „Kanons“ zurück.

Ein wenig Gitarren-Beliebigkeit wurde gewürzt mit Jo Pass, Kenny Burrell, Ralph Towner und Pat Metheney sowie mit viel Muthspiel. In seinem neuesten Projekt stellte der 1965 in Österreich geborene Gitarrenmeister mit der virtuosen Technik sowie seinen beiden kongenialen Partnern Larry Grenadier am Kontrabass und Jeff Ballard an den Drums filigranen Kammerjazz in einem traumwandlerischen, subtil-melodiösen Zusammenspiel zwischen Komposition und freier Improvisation vor. Sparsam setzte der hoch gewachsene Musiker mit der grauen Kappe neben den rein akustischen Stücken auf der Konzertgitarre die Elektronik ein, suchte mit dem rechten Fuß die Pedale, um ein harmonisches Ostinato, eine Akkordfolge, die fortlaufend wiederholt wird, unter die Melodielinien zu legen. Derartige Ostinati oder Vamps sowie in der elektronischen Umsetzung Loops variieren die Themen.

Meditative Passagen und dunkle Trommelwirbel mit den Klöppeln steigern sich in „Highline“ vom Album „Driftwood“, Tontrauben auf der Gitarre und Elektronik mit Hall sowie Verzerrungen in den Gitarrenläufen stören die sakrale Stimmung nicht. Grenadier spielt in den Soli harmonisch reizvolle Läufe, reibt die Saiten unter dem Steg oder streichelt sie beim Ruf-Antwort-Spiel von „Intensive Care“ aus „Rising Grace“. In der Begleitung zupft er trocken und kraftvoll sein voluminöses Instrument, während der Drummer flexibel und präzise in wechselnden Metren sein kunstvolles Schlagwerk vollendet.

Die Basis ihres Trio-Spiels, in dem alle Kompositionen von Muthspiel stammen, wird von den Musikern immer wieder neu und immer wieder anders interpretiert. Höchste Technik sowohl von Grenadier als auch von Ballard ermöglichen luftige Sounds und filigrane Improvisationen mit einer offenen und undogmatischen Musizierweise. Emotional sind die gestrichenen und gezupften Soli Grenadiers in der Einleitung einer dem Pianisten „Mehldau“ gewidmeten Komposition oder das flirrende sowie mehrschichtige und pulsierende Solo des Drummers Ballard im Sechs-Achtel Moll-Kanon. Ralph Towner ist die Komposition „Uptown“ gewidmet. Aus Kurt Weills „Drei-Groschen-Oper“ stammt die Grundlage der Bearbeitung des „Liebesliedes“. Für den Saxofonisten Michael Brecker schrieb der Österreicher mit den langjährigen Amerika-Erfahrungen einen „Bossa“.

Die musikalische Bandbreite des Jazzgitarristen Wolfgang Muthspiel ist Respekt einflößend. Sie reicht von Jazz und Pop über Worldmusic bis hin zu Experimenten mit sakralen Kanons. Das Publikum in der gutbesuchten Hinterbühne des Rüsselsheimer Theaters belohnte das vielseitige Spiel des Trios mit anhaltendem Applaus und erklatschte sich eine Zugabe.

Empfehlenswerte neue CDs von Muthspiel und Partnern: „Rising Grace“ mit Wolfgang Muthspiel (Gitarre), Larry Grenadier (Bass) und Brian Blade (Schlagzeug), Ambrose Akinmusire (Trompete), Brad Mehldau (Piano), ECM.

„Driftwood“ mit Wolfgang Muthspiel (Gitarre), Larry Grenadier (Bass), Brian Blade (Schlagzeug), ECM.

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