Paris, Bauch und Basstrompete
Ein prominenter Amateur-Jazzer und zwei Profis im Trio vereint: Eberhard Budziat trat Anfang 2002 mit einem Posaunenensemble in der Haller Hospitalkirche auf, Boris Kischkat griff dort beim 5. Jazz-Art-Festival als Quartettmitglied von “Bossa Libre“ in die Gitarrensaiten, und Vincent Koch trat in dem Barockbau (zusammen mit dem Pianisten Patrick Bebelaar) zur Vorweihnachtzszeit 2010 auf. Alle drei haben sich mittlerweile zu einer Spezialgruppierung formiert: „Vincent’s Brass On Strings Orchestra“. Im Französischen wird der eigentlich massige Begriff „orchestre“ ja schon für ein kleines Duo verwendet, und der TV-Meisterkoch von Stuttgarts Restaurant „Wielandshöhe“ mag diese (englische) Bezeichnung mit verschmitztem Hintersinn und einer Portion Selbstironie auserkoren haben. Er spielt ja selbst noch (erst ab seinem 60. Lebensjahr!) ein tieftöniges Blasinstrument und ist seit Langem literarisch aktiv. Sein 2015 bei Rowohlt erschienenes Bestseller-Buch „Ein Bauch spaziert durch Paris“ bildet nun die Wort-Grundlage seiner „Gesprächskonzerte“ besonderer Art.
Ausverkauft war wieder bei Vincent Klink die Hospitalkirche, und außer dem treuen Stammpublikum der von Jazzclub und Kulturbüro gemeinsam bewerkstelligten Reihe „Jazztime“ sah man viele neue Gesichter, die vielleicht jetzt so richtig auf den swingenden Geschmack gekommen sind.
Gleich zu Beginn hatte Klink die Lacher auf seiner Seite, als er munter improvisatorisch über seine Berufskollegen in der französischen Hauptstadt, über dortige Maler und Dichter, über Kirchen und Friedhöfe philosophierend und mit viel Esprit plauderte. Der 1949 in Gießen geborene Schwabe hatte für seine geneigten Zuhörer auch zwei wichtige Spartipps parat: Ein verbilligtes Ticket mit dem TGV Stuttgart-Paris per Internet direkt bei der französischen Bahn lösen sowie unbedingt (für 126 Euro) einen Museumspass erwerben, der nervende Warteschlangen vor den stark frequentierten Musentempeln flugs umgehen lässt und Fahrten im Öffentlichen Personennahverkehr (Metro!) beinhaltet. Allenthalben in freier Rede humorvolle als auch kritische Betrachtungen zum „Savoir-Vivre“ und der „Grande Cuisine“.
Da geriet die eigentliche Text-Lesung fast zur Nebensache – man könne sich das Buch ja selber kaufen und so die Details erfahren, meinte der knitze Vincent Klink. Gedruckt oder gesprochen – die geistreichen Auslassungen des Kultur-Allrounders Klink bildeten eine ideale Ergänzung zu der Haller Veranstaltung von Ulrich Wickert („Tagesthemen“) Mitte Oktober 2017 bei „Literatur live“ mit „Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen“.
Die vorwiegend von Posaunist Eberhard Budziat arrangierte Musik war bewusst frankophil gewählt. Zum Start spielte das kammermusikalische Trio das von „Satchmo“ verjazzte Chanson „C’est si bon“ (Klink: „Meine Mutter war ein Louis-Armstrong-Fan“). Vincent Klink gab mit seiner ungewöhnlichen Basstrompete das Thema vor, die Posaune gab dazu ornamentierte Antworten, und der sensible Boris Kischkat lieferte auf seiner Korpusgitarre das grundlegende Harmoniegerüst. Bei dem Charles-Trenet-Song „Que reste-t-il de nos amour“ alias “I Wish You Love” brachte Eberhard Budziat bei der Intro ausdauernde Zirkularatmung und akkordische Interferenztöne, wie sie einst Posaunenweltmeister Albert Mangelsdorff praktizierte. Und natürlich durfte in dem musikalischen Reigen Cole Porters „I Love Paris“, welches einst Caterina Valente mit „Ganz Paris träumt von der Liebe“ zum deutschen Schlagerhit verwandelte, nicht fehlen. Auf seinem voluminösen Blasinstrument ist Sternekoch Klink gewiss kein Superstar, aber er spielt doch ganz passabel darauf.
In der baden-württembergischen Jazzszene ist Tausendsassa Klink vielfältig aktiv. Sehr gelobt wurde vor einem Jahr seine gelungene Laudatio auf den Flügelhornisten Herbert Joos, als dieser von der Regierung für sein Lebenswerk mit dem Landesjazzpreis geehrt wurde. An Ostern 2017 stand und saß dem agilen Küchenmeister im Stuttgarter Theaterhaus eine veritable Big Band zur Seite, die von Eberhard Budziat zusammengestellt worden war. Das neue Opus, von dem inzwischen eine Studioaufnahme existiert, nennt sich „Remstalsinfonie“. Da sinnierte der große Gastronom über die Historie der östlich von Stuttgart gelegenen achtzig Kilometer langen Weinkulturlandschaft, schildert prägende Erlebnisse aus seiner „Jugendstadt“ Schwäbisch Gmünd und knüpft kritische Verbindungen zu leidigen Tagesaktualitäten. Stilistisch vielfältig inszenierte Budziat die Musik dazu, ohne das choralhafte Volkslied „Im schönsten Wiesengrunde“ zu verschmähen. Man darf gespannt sein, was Vincent Klink zukünftig sonst noch am Kochen hat – kulturbewegend, künstlerisch und am Herd…
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen