„7 Tolen“: Septett geht Septolen auf den Grund
In der avantgardistischen Tradition von Günter „Baby“ Sommer (Dresden) schlagwerkelt und erstaunt derzeit ein fantastisch-fantasievoller Akteur, welcher 1984 in Lübben das Licht des brandenburgischen Spreewalds erblickte: Christian Lillinger.
Der Tenorsaxophon und Klarinette blasende Tobias Delius, aus dem englischen Oxford stammend, fungiert oft in unterschiedlichen Gruppierungen als sein Partner – so auch 2013 bei einem kulturkulinarischen Event der Donaueschinger Musiktagen. Aus zunächst unerfindlichen Gründen nennt Christian Lillinger sein internationales Septett vorwitzig „Grund“ – und hierin ist Delius grundsätzlich integriert.
In der Musik vereinigen sich letzten Endes doch harmonierend ungestümer Hard-Core-Free-Jazz, friedliche Lyrismen, abstrakte Bebop-Linien, impressionistische Klanggebilde, kompositorische Strenge und kreative Improvisationen. Der smarte Band-Boss steuert sein kleines Orchester aus dem Hintergrund, trommelt wie ein Wirbelwind verblüffend polyrhythmisch, zaubert immer wieder diverse Perkussionsutensilien hervor und lässt ausgiebig Metall auf Metall kreischen.
Mit gleich zwei Kontrabassisten wartet der Drummer auf – nämlich mit dem viel gediegene Streicharbeit leistenden „Joker“ Robert Landfermann und dem unverdrossen die Saiten zupfenden Dänen Jonas Westergaard. Auch das Saxophon ist doppelt besetzt: Der Brite Delius besitzt in dem in Paris geborenen Altisten Pierre Borel hat einen würdigen Widerpart, wobei man sich mit und ohne Flatterzunge mal rotzig anblöken kann. Ansonsten beherrscht und vollführt der Franzose perfekt „dauertönige“ Zirkularatmung und obertonreich schnarrende Multiphonics.
Weniger spektakulär agiert am Vibraphon Christopher Dell, der vor über drei Jahrzehnten für das allererste Bundesjugendjazzorchester (zusammen mit dem späteren Trompeter-Star Till Brönner) auserwählt wurde. Mit vier Schlägeln korrekt die Metallplatten zu treffen (einst ein Novum bei Gary Burton!), dies bedeutet für ihn längst Routine. Auch der vielfältige Pianist Achim Kaufmann agiert eher nach der ruhigen Art, pointilistisch bei auskomponierten Parts, flüssig in Solobeiträgen – und bei Aktionen im Diskant zuweilen klanglich an balinesische Gamelanmusik erinnernd. Als ziemlich diffizil erwies sich beim Auftritt in der Hospitalkirche das mannigfaltige Notenmaterial. In dem Stück „7 Tolen“ hatte das Septett massig Septolen auszuführen, während in „Cor“ metrisch nach der Devise „Take 5“ vorgegangen und herzhaft eine einprägsame Melodie intoniert wird.
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen