„Killing Popes“ in der Jazzfabrik Rüsselheim, 24. April 2017

Steidle Killing Popes - Photo: Mümpfer

Gut 75 Minuten währte das hochenergetische Spiel der „Killing Popes“ auf der Hinterbühne des Rüsselsheimer Theaters. Ein Sound aus Geräuschcollagen, in dem die Passagen der Ruhe selten bleiben, ein Spiel, in das aber wie in „Zombies“ sogar einige Melodiefragmente eingebettet sind.

„Wir wollen hörbar machen, wie gut der junge deutsche Jazz international vernetzt ist und nebenbei auch dessen Arbeitsbedingungen verbessern“, sagt vor dem Konzert Stephan Dudek, der Programmgestalter der „Jazzfabrik“. Deshalb präsentiert er den deutschen Schlagzeuger und Komponisten Oliver Steidle mit dem Gitarristen Frank Möbus, dem Briten Dan Nicholls an den Keyboards und dem Norweger Dan Peter Sundland am Bass.

Wohl bei keinem Instrument hat sich in den vergangenen Jahren so viel getan wie beim Schlagzeug. Jazzdrummer entwuchsen der reinen Begleiter-Rolle. Sie sind inzwischen gleichberechtigte musikalische Partner, oft Bandleader und Komponisten. Ihr Spiel ist nicht mehr nur vom Beat, sondern auch vom Sound definiert. Höchstes Tempo, enorme Dynamik und hochvirtuose Polyrhythmik sind nahezu selbstverständlich. Die Rüsselsheimer „Jazzfabrik“-Reihe belegte diese Feststellung unter anderem bereits mit den Formationen von Christian Lillinger und Eva Klesse.

Oliver Steidle hat diese Entwicklung in Deutschland ebenfalls mitgeprägt. Obwohl er sich musikalisch vor allem zwischen freiem Jazz, neuer Improvisationsmusik, Hip-Hop und Punk bewegt, geht es ihm stets um die Klarheit der Klänge. Die komplexesten Rhythmen werden bei ihm verständlich, hat ihm sein Partner Möbus bestätigt. Musik mit Assoziationen ist sein erklärtes Ziel. „Ihr hört, warum die Komposition `Kalashnikov Dream` heißt“, sagt Steidle vor dem Stück.

Auch in Rüsselsheim gelingt es ihm, das richtige Verhältnis von Sound und Energie zu finden. Der Drummer ist unermüdlich, hält mit seinem rhythmisch vielschichtigen Spiel die Fäden in der Hand. Die Wechsel von Tempi und Metren gehen nahtlos ineinander über, der nahezu orgiastische Drive sorgt für Spannung. Frank Möbus wirft einige akzentuierende Akkorde ein, reißt mit rasenden Kürzeln im Wettstreit mit dem Keyboarder Dan Nicholls beim Ruf-Antwort-Spiel die Saiten. Steidle steht oft im Duell mit dem Bassisten Dan Peter Sundland, der schon durch Anzug mit weißem Hemd und Fliege sowie tänzelnd optisch aus dem Rahmen fällt. Doch sein virtuoses Spiel auf dem E-Bass fügt sich sensibel in den komplexen Gruppen-Sound ein.

Der 42-jährige Leader auf dem Drumset ist an all dem extrem dicht dran. Er lässt die Stakkatos krachen, bezieht ausgiebig die Tom-Toms und Bass-Drum ein, dass es dunkel poltert, prasselt, wummert – dabei ist trotz aller Raserei das Kollektiv in gegenseitiger Kommunikation höchst sensibel garantiert. Die zumeist notierten Stücke von Steidle und Peter Eldh lassen bei den Stücken dieses Abends – „Monopoly extended“, „Alive“, „Nuremberg Heroin Lullaby“, Kalashnikov Dream“, „Zombies“ und „Flipper“ – viel Raum für Improvisationen der an sich eigenständigen Musiker. Das begeisterte Publikum lässt das Quartett nicht ohne Zugabe von der Bühne.

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