Farewell Peter Brötzmann – ein Nachruf mit Photos von Kumpf, Rinderspacher & Schindelbeck

Es ist schon eine widerwärtige Volte des Schicksals, wenn ausgerechnet einem Musiker wie Peter Brötzmann die Lungenkrankheit COPD langsam die Luft abdreht. Er kämpfte seit Jahren damit, musste immer wieder kürzer treten und ging öffentlich damit um. Im Oktober 2021 verkündete er noch die Nachricht auf facebook „I am still alive!“ verbunden mit einem gesundheitlich bedingten Rückzug von der Bühne. Im Jahr 2022 war er dann doch wieder gelegentlich unterwegs und Anfang diesen Jahres spielte er – unter Mühen – tatsächlich noch Konzerte. Peter Brötzmann war als Musiker im wesentlichen Autodidakt und er war tätig als bildender Künstler, zeichnerisch, malend und als origineller Gestalter von Objekten, und so waren Pausen vom Konzertbetrieb keine Pausen für kreatives Schaffen.

Peter Brötzmann starb am 22. Juni 2023.

Geboren in Remscheid am 6. März 1941 begann seine Musikerkarriere mit 9 Jahren auf der Klarinette, mit 17 nahm er ein Kunststudium auf und spielte nebenher in ersten Bands Saxophon und Klarinette. Anfang der 1960 begab er sich in die Welt des freien Jazz, es entstand ein erstes Trio mit dem Wuppertaler Bassisten Peter Kowald und dem Schlagzeuger Dietrich Rauschtenberger. In den 1960er Jahren spielte er dann rasch mit vielen Größen der nationalen und internationalen Szene, war Gründungsmitglied des Globe Unity Orchestras (u.a. mit Alexander von Schlippenbach, Willem Breuker, Gerd Dudek, Sven-Ake Johannson – auf der Schallplatte „Globe Unity“ spielte Mani Neumeier an seiner Stelle), Mitlabelgründer von FMP (Free Music Production). Ein legendärer Meilenstein war seine 1968 erschiene Platte „Machine Gun“ (die Zweite auf seinem eigenen Label BRÖ, auf dem nicht viele Tonträger erschienen), über die John Fordham vor einigen Jahren im Guardian schrieb: „At the time, many thought this it was simply a wall of noise. But as perceptions changed, the bass clarinet/percussion battles between Breuker and Bennink, the explicit eloquence of a young Evan Parker, the emergence of themes with free-jazz, South African and R&B connections, and the many other fast-shifting conversations between the performers, have come to be recognised in all their influential diversity.”

Brötzmann arbeitete in den folgenden Jahrzehnten in zahlreichen Formationen jeglicher Größe und wurde auch international als Teil der Kerngruppe des radikalen freien Jazz zu einer Ikone. Bands wie Last Exit und das Chicago Tentet, in dem unter anderem die Saxophonisten Ken Vandermark und Mats Gustafsson mitspielten zementierten diese Rolle. Seine kompromisslose und virile, konformitätsfreie Art des Saxhophonspiels war für seine Fans die reine Faszination, blieben für Andere ein lautes, undurchhörbares Rätsel.

Für mich war es die Faszination, seit ich Brötzmann erstmals in den 1980er Jahren beim Akut Festival in Mainz mit Hamid Drake hören durfte. Natürlich waren seine Konzerte nie leichte Kost aber gerade aus diesem Grund habe ich selten Eines ausgelassen, wenn er in der Nähe war. Beim Enjoy Jazz Festival solo an der Jüdischen Hochschule, später mit Heather Leigh an der Pedal Steel Gitarre. In Schorndorf in der Manufaktur ergänzt mit dem Trompeter Toshinori Kondo, ein unvergessliches Konzert. In Saarbrücken spielte er 2018 mit seinem langjährigen musikalischem Gefährten, dem niederländischen Schlagzeuger Han Bennink. Mehrfach beim Akut Festival  in Mainz und sogar in Eberbach, im Neckartal, trat er mit seinem Trio auf, Mario Pliakas am Schlagzeug und Michael Wertmüller am Bass. Bemerkenswert, dass man nie aus einem dieser Konzerte herausging, wie man hineingegangen war. Weil Brötzmann, wie alle großen Musiker, etwas zu sagen hatte auf seinen Hörnern. Und weil man über Jahrzehnte immer neugierig blieb, was er einem im nächsten Konzert wieder um die Ohren hauen würde. Stimmt nicht ganz: er konnte auch leise.

Dank für die folgenden Galerien an Hans Kumpf und Manfred Rinderspacher, die Peter Brötzmann mit der Kamera über Jahrzehnte begleitet haben.

Photos von Hans Kumpf

Photos von Manfred Rinderspacher

Photos von Frank Schindelbeck

2 Gedanken zu „Farewell Peter Brötzmann – ein Nachruf mit Photos von Kumpf, Rinderspacher & Schindelbeck“

  1. Vielen Dank für den sehr liebevollen und informativen
    Bericht.
    Ich war im Haus der Kunst, die Ausstellung war dem Label fmp gewidmet mit viel Kunst von Peter Brötzmann und zwei Konzertabenden, auch mit Toshinori Kondo und all den anderen.
    Ein prägendes Erlebnis.

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