Interview mit Manfred Bründl über den „Achava Jazz Award“ – Klaus Mümpfer

Manfred Bründl - Photo: Mümpfer

Der erste Preisträger des neuen „Achava Jazz-Awards“ wurde in Erfurt bekannt gegeben. Gewinner ist das brasilianisch-armenische Duo „FRACTAL LIMIT“ mit Tatiana Parra und Vardan Ovsepian. Der internationale und transkulturelle Jazzpreis ist mit 10 000 Euro dotiert. Er wird am 9. September 2017 erstmals im Rahmen der ACHAVA-Festspiele im Heizwerk in Erfurt feierlich überreicht. 

Die Jury möchte an diesem Abend ein zweites Ensemble mit drei Musikern vorstellen, von denen die transkulturelle Musikszene Deutschlands in den vergangenen Jahren mitgeprägt wurde, nämlich das Nadishana-Braun-Sagun-Trio (Rus/Deu/Rur).

Die ACHAVA-Festspiele finden seit 2015 jährlich in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt statt. Der Jazz-Award ist eine Koproduktion der ACHAVA-Festspiele Thüringen und der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar mit Unterstützung der Sparkasse Mittelthüringen.

Der Journalist Klaus Mümpfer sprach mit dem Bassisten Manfred Bründl, der von 1989 bis 1996 als Dozent in Mainz und seit 1996 als Professor an der Hochschule für Musik Franz Liszt im thüringischen Weimar lehrt, über den „Achava Jazz Award“. Bründl ist der geistige Vater dieser erstmals vergebenen interkulturellen Auszeichnung.

Klaus Mümpfer: Was bedeutet Achava?

Manfred Bründl: Achava ist hebräisch und bedeutet Brüderlichkeit. Der Begriff steht für den interkulturellen Dialog und den Respekt für Andere.

Klaus Mümpfer: Was will der Achava Jazz-Award?

Manfred Bründl: Der erstmals verliehene „Achava Jazz Award“ zeichnet ein künstlerisch herausragendes Bandprojekt aus, das den transkulturellen Charakter des Jazz ins Zentrum seines Schaffens stellt und dies auf höchstem künstlerischen Niveau umsetzt, indem es die improvisatorischen oder kompositorischen Ausdrucksmittel des Jazz beispielsweise mit Volksmusik, populärer Musik oder europäischer Kunstmusik vermischt.

Klaus Mümpfer: Was verstehst Du persönlich unter Jazzmusik?

Manfred Bründl: Jazz ist eine bereits in seinem Ursprung transkulturelle Musik. Vor mehr als hundert Jahren entstand er aus der Begegnung von Afroamerikanern und europäischen Einwanderern im Süden der USA. Weltweit haben sich seither Musiker die Ausdrucksweisen des Jazz angeeignet undweiterentwickelt – in den vergangenen 50 Jahren zunehmend unabhängig und losgelöst von der US-amerikanischen Jazzgeschichte. Mit individuellem künstlerischem Ausdruck, Interaktion und Improvisation wenden sich Jazzmusiker heute gegen musikalische Grenzziehungen und Kartographien, ja überhaupt gegen die Idee einer national gebundenen Kultur. Vielmehr betonen sie den länder-, kultur-, und traditionsübergreifenden, transkulturellen Wert ihrer Musik.

Klaus Mümpfer: Warum fiel die Entscheidung der Jury auf das Duo Parra/Ovsepian?

Manfred Bründl: Die brasilianische Sängerin Tatiana Parra und der armenisch-stämmige Pianist Vardan Ovsepian arbeiten seit 2013 zusammen und haben bereits zwei Alben, „Lighthouse“ und „Hand in Hand“ herausgebracht, auf denen sie ihre kulturübergreifenden Ideen realisierten.

Klaus Mümpfer: Wie war das Procedere?

Manfred Bründl: Aus 42 Einsendungen wurden neun Finalisten ausgewählt, von denen das Duo „Fractal Limit“ von der Jury einstimmig ausgewählt wurde.

Klaus Mümpfer: Wie lautet die Begründung der Jury?

Manfred Bründl: Es ist Musik, die aus der Seele spricht. Vardan Ovsepian, geboren in Armenien, ausgebildet in Yerevan, Tallinn, Helsinki und Boston, trifft auf Tatiana Parra aus São Paulo. Ein Pianist mit folkloristisch eurasischen Wurzeln, kammermusikalischen Klangideen und improvisatorischer Eleganz verknüpft seine Welt mit einer Sängerin, deren Soundvorstellungen sich in brasilianisch jazziger Tradition ebenso wie in klassischer Klarheit und stiloffener Sensibilität gründen. Als aufmerksam kommunizierendes Duo lassen sie akustische Miniaturen entstehen, die im Spiel von Feinheit und Brillanz Ebenen der Emotion freilegen, die die Künstler wie auch das Publikum unmittelbar betreffen. Es ist eine aufwühlend ehrliche und zugleich melodiös kunstvolle Musik, ein stilistisch umfassendes Kompendium der Klangkulturverschmelzung und damit ein Kosmos für sich.

Klaus Mümpfer: Wird auch die Öffentlichkeit das Duo hören können?

Manfred Bründl: Anlässlich der Verleihung des „Achava Jazz Awards“ wird „Fractal Limit“ erstmalig in Deutschland auftreten, so dass dieser neue Preis mit einer einzigartigen Entdeckung aufwarten kann.

Klaus Mümpfer: Wer ist an dem interkulturellen Preis beteiligt und in welchen Kontext ist er eingebunden?

Manfred Bründl: „Mit dem „1. Achava Jazz Award“ fächern die gleichnamigen Festspiele Thüringen eine weitere Facette interkulturellen Austauschs auf. Da Musik auch ohne Sprache funktioniert, steht sie wie kaum ein anderes Kommunikationsmittel für internationale Verständigung.

Klaus Mümpfer: Auf wen geht die Idee zurück und was bedeutet der Award für Dich?

Manfred Bründl: Ohne unbescheiden zu wirken: Die ursprüngliche Idee stammt von mir. Allerdings haben an der jetzigen Form des Preises viele Fachleute in meinem Umfeld mitgewirkt. Entscheidend aber: Ohne die Unterstützung und das Know-how von Martin Kranz wäre das alles undenkbar gewesen. Ich habe mich auch um eine kompetente Jury bemüht. Der Dank der Festspiel-Veranstalter und des Intendanten Kranz gilt natürlich auch der Sparkasse Mittelthüringen, die diesen Preis als Hauptsponsor erst möglich macht. Und ich als der künstlerische Leiter des „Achava Jazz Awards“, freue mich, dass meine Idee nun realisiert wird. Der Preis stellt für mich als Künstler und Pädagogen auf Grund seines neuartigen transkulturellen Charakters eine wertvolle Quelle der Inspiration dar: Kulturen begegnen sich und verschmelzen; Grenzen zwischen unterschiedlichsten Musikstilen werden aufgezeigt und ausgelotet; Tradition und Moderne befruchten sich musikalisch gegenseitig und lassen Neues entstehen. Die Kreativität und Diversität der musikalischen Beiträge, die trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer Transkulturalität eine starke Affinität zum Jazz aufweisen, ist schlichtweg beeindruckend.

Klaus Mümpfer: Wer gehört der Jury an?

Manfred Bründl: Die hochkarätig besetzte Jury besteht aus insgesamt 15 Mitgliedern, wobei fünf Fachleute einer sogenannten Hauptjury und weitere zehn einer erweiterten Jury angehören. Die internationalen Jury-Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Musikbereichen wie Jazz, Weltmusik, populärer oder europäischer Kunstmusik. Durch die stilistisch und international sehr vielseitig aufgestellteJury, ergibt sich ein äußerst breit gefächertes Teilnehmerfeld auf höchstem kreativem Niveau.

Zur Hauptjury gehören Omer Klein (Kurator 2017), Professor Manfred Bründl (künstlerischer Leiter), Peter Schulze, Ralf Dombrowski und Professor Dr. Martin Pfleiderer. In der erweiterten Jury sitzen die Musiker Avishai Cohen (Kontrabass, Israel), Marilyn Mazur (Drums/Percussion, Dänemark), Ferenc Snétberger (Gitarre, Ungarn), Iiro Rantala (Piano, Finnland), Wu Wie (Multiinstrumentalist/Mundorgel Sheng, China), Marc Copland (Piano, USA), Mike Herting (Piano, Deutschland), Majid Bekkas (Oud/Gimbri/Gesang, Marokko), Riccardo M. Sahiti (Dirigent der Roma-und-Sinti-Philharmoniker Frankfurt, Kosovo) sowie Nguyên Lê (Gitarre, Frankreich). Der Projektkoordinator ist Thomas Sode.

Die CD „Respect“ Bründls aktueller Gruppe Silent Bass wurde für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert. Die CD „Crosshatched“ zeichnete der Deutschlandfunk als bestes deutsches Jazz-Album des Sendejahres 2008 aus. 2011 brachte die Formation mit Hugo Read, Rainer Böhm und Jonas Burgwinkel das Album „Tip of the Tongue – A Tribute to Peter Trunk“ heraus, eine Hommage an Peter Trunk und seine Zeit. Manfred Bründl erhielt 2012 den SWR Jazzpreis.

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