
Eva Klesse genießt das Schwelgen in Melancholie, die sich zugleich gegen jegliche Traurigkeit aufbäumt, Lust und Freude mitschwingen lässt. Dieser eigenständige Sound aus Leipzig wurde erstmals im Oktober 2014 auf der CD „Xenon“ festgehalten und ein Jahr später mit dem „Echo-Jazzpreis“ als „Newcomer des Jahres“ belohnt.
Die junge Musikerin ist eine der leisesten Schlagzeugerinnen der deutschen Jazzszene. In der Rüsselsheimer Jazzfabrik agiert sie zumeist mit den Besen auf Trommeln und den Becken. Nur wenn die Band sich ins Crescendo steigert, greift Klesse zu den Sticks und lässt die Felle vibrieren. Diese Dynamik und Steigerung der Intensität von den melodischen und cantablen Passagen bis zu den eruptiven Ausbrüchen sind ein Wahrzeichen des Quartetts mit dem Pianisten Philip Frischkorn, dem Bassisten Robert Lucaciu, dem Altsaxophonisten Evgeny Ring und der Bandleaderin am Schlagzeug.
Ohne sich in den Vordergrund zu spielen, leitet die Schlagzeugerin die Band, verbindet dabei impulsive Emotionen mit klangrhythmischer Sensibilität. Die Musik des Quartetts wirkt im Gesamten eher meditativ als expressiv, besticht durch luftiges und atmendes sowie filigranes Spiel. An diesem Ziel orientieren sich alle vier Künstler und wohl deshalb erhält das Spiel seine innere Logik und Geschlossenheit. Das Rüsselsheimer Konzert belegt die attestierte Klangästhetik, kraftvolle Melodik und farbige Harmonik.
Das Spektrum reicht vom Zarten und Zerbrechlichen bis zu Vehemenz und Crescendo. Unbekümmerte Verspieltheit und tiefgehende Emotionen schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Die vier Künstler beginnen mit kurzen, perlenden Pianoläufen, nachfolgenden hymnischen Klängen und Filzklöppeln auf den Trommeln. Bassist Lucaciu steuert Akkorde auf seinem Instrument bei bis Ring lange melodische Läufe auf dem Altsaxophon bläst. Klesses Schlagzeugspiel wird zunehmend schneller und pulsiert nervös. Frischkorn haut seine Akkordblöcke attackierend in die Tasten, das Saxophon kreischt grell und die Basslinien beginnen zu rasen. „Kleine None, große Reise“ nennt Klesse diese Komposition, die wie die anderen alles Eigenkreationen der Musiker sind.
Frischkorn hat aus dem zwölftaktigen „Blues for Ellis“ von Charlie Parker in einer 112-taktige Komposition „Searching the simple“ bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, sein „Petite Chambre a Montmartre“ hebt mit einer verträumt wirkenden Linie auf dem Piano an, wird vom gestrichenen Bass begleitet, von der Besenarbeit der Schlagzeugerin unterstützt und mündet in ein Unisono von Bass und Altsaxophon. In das nachfolgende „Obenland“ baut Klesse im Mittelteil einen expressiven Ausflug des Quartetts ein.
„Klabautermann“ fällt insofern aus diesem Rahmen der tief in der Tradition des modernen Jazz verwurzelten Spielweise, als er collagierend Geräusche kombiniert, der Pianist die Saiten in Innern des Flügels zupft und streicht, der Saxophonist Luftsäulen ins Instrument haucht, die Läufe überbläst, der Bassist knarrend und atonal die Saiten streicht und Klesse die Ränder der Trommeln klopft. Doch dann schiebt das Quartett einen swingenden Mittelteil ein, um zur Ausgangscollage zurückzukehren.
Das Publikum der Rüsselsheimer Jazzfabrik goutiert, dass eine Musik gleichzeitig spannend und relaxend daherkommt.
