Der Gitarrist und Sänger Lionel Loueke mit der hr-Bigband in der Rüsselsheimer Jazzfabrik, 12. März 2016

„Ich bin vor ganz verschiedenen Teilen der Welt beschenkt worden und das spiegelt meine Musik wider“, sagt der Gitarrist und Sänger Lionel Loueke. Am 27. April 1973 im westafrikanischen Benin geboren, lernte er zunächst Schlagzeug bevor der ältere Bruder ihn zum Gitarrenspiel verführte. Sein musikalischer  Weg führte Loueke über Paris nach Amerika in die Band von Herbie Hancock. Der nannte den Farbigen  einen „musikalischen Maler“. Die Zusammenarbeit mit dem Amerikaner hat in der Tat deutliche Spuren im Jazzgefüge von Lionel Loueke hinterlassen. Die Mischung aus traditioneller Folklore seiner Heimat Benin mit modernen Jazzharmonien, Blues und Pop-Assoziationen insbesondere in den sanften Gesängen weckt die Bewunderung des Publikums beim Rüsselsheimer Konzert mit der hr-Bigband unter der Leitung des Arrangeurs und Dirigenten Jim McNeely.

Der Künstler mit dem Talent zur harmonischen Komplexität hat bei der intensiven Erforschung des Nylon-Saitenklanges für diese Mixtur eine eigenständige markante Stilistik entwickelt. Inzwischen ist Loueke dank der erweiterten Spieltechnik durch die Elektronik zur E-Gitarre mit ihren Stahlsaiten gewechselt, hat aber seine samtene Handschrift und sein Gespür für die Poesie der Melodie bewahrt. Dies gilt gleichermaßen für das filigrane Spiel auf dem Saiteninstrument wie für den Gesang seiner von der traditionellen Folklore gefärbten Songs.

McNeely schrieb die Arrangements zu Louekes Kompositionen speziell für den Künstler und die  Bigband des hessischen Rundfunks anlässlich  des Deutschen Jazzfestivals 2014 in Frankfurt sehr einfühlsam, aber hin und wieder mit zu vielen ostinaten Melodie- und Rhythmuspassagen. Auf der anderen Seite sorgte die Großformation für den drängenden und treibenden Groove. Zehn Loueke-Stücke und die Zugabe „Hope“ wurden für die Jazzfabrik in Rüsselsheim neu aufbereitet.

Das Publikum beklatscht den warmen und stimmungsvollen Klang, die ungewöhnliche Ästhetik sowie die intimen Interaktionen Louekes mit den Solisten der Bigband – vor allem in „Hope“ mit dem souligen Spiel des Tenoristen Tony Lakatos, in „Quidah“ mit dem Sopransaxophonisten Heinz Dieter Sauerborn oder in „Twins“ mit Axel Schlosser am Flügelhorn und Oliver Leicht an der Bassklarinette.

In „Aziza Dance“ kostet Loueke die Möglichkeiten der Elektronik aus. In der beschwingten Komposition lässt er das Instrument wie eine Marimba, eine Percussionsgruppe oder eine Orgel klingen. „Aziza“ den kleinen, positiven Waldgeist seiner afrikanischen Heimat, beschwört Loueke mit dem Schlagzeuger Jean-Paul Höchstädter und Tony Lakatos in sich wiederholenden Harmonie-Variationen. Hell und transparent vor dem wuchtigen Bigband-Sound klingt die Gitarre in „Dangbe Dance“.

Kontrastreich zu „Aziza Dance“ ist der Stimmungswechsel in „Virgin Forest“ mit dem langen Solo auf der Gitarre in zunächst fließenden, sich dann auflösenden Linien, den Schnalzern und Vokalisen sowie percussivem Spiel auf dem Instrument. Erst spät steigt die Bigband mit steigender Intensität ein. In der Ballade „Chardon“ setzt sich McNeely selbst an den Flügel, beginnt mit lyrischem Tastenspiel, leitet zu Loueke und dessen vibratoreichem, melodiösem Spiel über, während die Bläser einen Soundteppich weben.

So klingt die gleichberechtigte Begegnung von zeitgenössischem Jazz mit afrikanischer Tradition auf einer Augenhöhe – auch wenn manchmal die Bläsersoli die Gitarre zu übertönen scheinen.

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