Bobby McFerrin wird am 11. März 70 Jahre alt – „Das Orchester aus dem Kehlkopf“, Kumpf historisch (1982)

10.12.1982

Der afroamerikanische Jazz-Sänger Bobby McFerrin beim Südfunk

Wirtschaftswunder gab es, Busenwunder gibt es – und Stimmwunder auch. Als ein solches wird der Afroamerikaner Bobby McFerrin gepriesen. Ähnlich erging es vor einigen Jahren Al Jarreau, der gleichfalls mit für den Jazz unkonventionellen Vokalisen aufwartete. Jedoch wirklich neu sind derlei stimmakrobatische Verrenkungen nicht – im Bereich der Zeitgenössischen Musik (Stichwort: Cathy Berberian) ist die Stimme als Geräusch- und Klangerzeuger viel mehr emanzipiert. Was im Jazz passiert, ist dies: Wenige „neue“ Techniken werden in einen verhältnismäßig traditionellen Rahmen transportiert und dort konsequent fortgesponnen. Mit viel Feeling und direktem Kontakt zum Publikum wird dabei gearbeitet. So fand Al Jarreau, der deutlich zum kommerziell einträglichen Rock-Jazz tendierte, nach seiner „Entdeckung“ schnell ein großes Publikum. Ähnlich erfolgreich ist derzeit Bobby McFerrin. Dabei hatte Bobby McFerrin mit seinem Europa>Debüt im Sommer dieses Jahres wenig Glück. In der Gruppe der beiden Saxophonisten Chico und Von Freeman konnte er sich nicht so recht entfalten, und beim für die Medien wichtigen Festival in Montreux geriet er wegen einer schlechten Monitor-Anlage ins Hintertreffen.

Weit besser präsentierte sich der 1950 in New York geborene und in Californien aufgewachsene McFerrin beim Jazzfest in Berlin. Von der „Live“-Übertragung ließen sich viele Jazzfans am Fernsehgerät begeistern; offensichtlich auch in Stuttgart, denn da war der Mozartsaal voll, als der Süddeutsche Rundfunk zu einem kurzfristig vereinbarten „Treffpunkt Jazz“-Konzert rief.

Bobby McFerrin betonte schon wiederholt, daß er künftig solo, völlig ohne Begleitensemble, auftreten wolle. Mit einem Solo begann er auch den Abend in der Liederhalle. Fast gleichzeitig zweistimmig sang er, als er zu Melodienlinien im Kopfregister kontrapunktisch einen brummigen Baß setzte. Große Intervallsprünge kann McFerrin schnell und sehr präzise ausführen. Durch Schlagen auf die Brust und Stampfen mit den Füßen kann er Perkussives einbringen, durch sein untrügliches musikalisches Gespür kann er leicht spannungsreiche Stücke entwickeln.

Seine „klassische“ Ausbildung läßt Bobby McFerrin, dessen Vater Opernsänger ist, erkennen, wenn er Lineaturen des Barock und des Bebop in Einklang bringt. Seine Liebe zur alten Musik Europas kam auch bei einem kleinen Intermezzo zum Ausdruck: er intonierte das Choralvorspiel zu „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ von Johann Sebastian Bach. Barocke Anklänge ebenfalls bei einem „Überraschungs-Duo“ mit Lauren Newton, die Bobby McFerrin beim Sängertreff in Baden-Baden kennenlernte. Hier beschränkte sich McFerrin vielfach auf ostinate Figuren, während die Amerikanerin in Stuttgart eine breite Skala von stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten offenbarte. Mit Hauch- und Zisch-Lauten stießen sie in den geräuschhaften Free Jazz vor. Das humorvolle Duo machte nicht nur den beiden Akteuren, sondern auch dem Publikum Spaß.

Gershwins „Summertime“ erfuhr mit einem kantig-harten Grundrhythmus eine neue klangliche Dimension. Ärger gab es mit der zeitweise verzerrenden Übertragungsanlage, aber dieses Problem überbrückte Bobby McFerrin, indem er kantierend durch den Saal schritt und Vokalelektronik imitierte.

Am 6. März präsentiert SWR2 Musik von Bobby McFerrin in
„NOWJazz Session: Aus dem Archiv „.

Kumpfs Kolumnen

Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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