Erika Stucky, Christy Doran & Jamaaladeen Tacuma im Porgy & Bess, Wien 250104

Es ist schwer zu sagen, ob es persönlich gut oder schlecht ist, dass Konzerte immer häufiger wie Zeitreisen anmuten. Jamaladeen Tacuma – damals zum ersten Mal in Darmstadt gehört, bei einem furiosen Solo-Act im Rahmen der großen Jazzausstellung des Jazzinstituts Darmstadt in den 1980er Jahren. Oder Christy Dorans legendäre CD mit Phil Minton (Studer, Bates, Ali), die 1994 erschienen ist und immer noch begeistert. Und Erika Stucky – wann habe ich sie zum ersten Mal gehört? Es ist lange her. Ich erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren meine schwere 6×7-Mamiya-Kamera mit ins Konzert nach Heidelberg geschleppt habe, um ein paar Bilder von ihr nach dem Konzert zu machen.

Jetzt, am 4. Januar 2025, gab sie zum dreißigsten Mal ihr traditionelles Neujahrskonzert im Porgy & Bess in Wien. Wo könnte so etwas besser stattfinden? Der ikonische Sessel auf der Bühne, selten genutzt, steht symbolisch für die intime Atmosphäre dieses Abends. Erika Stucky war nicht nur auf Augenhöhe mit dem Publikum – sie war emotional ganz nah dran. Musikalisch zeigte sich eine altersgemäße Auswahl gemeinsamer Nenner: Hendrix – wie so oft prominent, raffiniert gemischt mit Prince, The Kingsmen und den Beatles, von Sgt. Pepper bis I Want You. Auch George Harrisons My Sweet Lord fand Platz in einer genialen, elegant collagierten Setlist.

Die Musiker? Über jeden Zweifel erhaben. Stucky selbst? Stimmgewaltig, originell und mit einem unvergleichlichen Sinn für Improvisation. Zum Abschluss überraschte sie nicht wirklich mit einem Jodel-Solo als Zugabe. Gut allemal. Christy Doran bewies einmal mehr, warum er zu den stärksten Gitarristen seiner Generation gehört. Und Tacuma? Einfach nur: Tacuma!

Erika Stucky ist die souveräne Entertainerin. Den Beginn des Konzerts überlässt sie einer ersten kleinen Gitarre-Bass-Battle, um kurz darauf im Jubel des Publikums zu baden. Die Hendrix-Titel scheinen längst Teil ihrer DNA geworden zu sein. Scheinbar nach Belieben hüpft sie in einem Song zwischen Purple Haze und Hey Joe, mixt im Zweifel ein paar Takte Prince mit ein. Die Musik liegt ihr – dem gesamten Trio – so sehr im Blut, dass alles wie ein aus dem Handgelenk geworfenes musikalisches Spiel erscheint. Vielleicht hat Hendrix selbst Erika Stucky schon prophetisch beschrieben, in Little Wing: „With a circus mind that’s running wild.“

Das Programm für 2026 kündigt sie zum Ende des Konzerts bereits an: „Stucky Fingers“. Mehr Jagger wagen! Meine persönliche Vermutung: Übernächstes Jahr geht es doch reumütig zurück – Richtung Hendrix…

Fotos: Schindelbeck Jazzfotografie

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