Das Konzert von Stephanie Wagners „Quinsch“ beginnt eher melodisch und konventionell im Gruppensound. Es ist wahrscheinlich gerade der Kontrast zwischen dem Klang des Quintetts und der oftmals freien Improvisation der Flöten und Saxophone, die den Abend „Ouerflöte goes Jazz“ zum Erlebnis werden lassen. Ausschweifende Improvisationen auf den Instrumenten werden eingefangen von offensichtlich notierten unisono-Passagen oder Zwei- und Mehrstimmigkeiten von der Quer- und der Altflöte der Bandleaderin Stephanie Wagner sowie dem Tenor- und dem Sopransaxophon Steffen Webers. „Quinsch“ mit dem Kontrabassisten Udo Brenner, dem Schlagzeuger Jens Biehl und Steffen Stütz am Fender-Rhodes-Piano findet in den originellen Kompositionen und Arrangements zu einem kontrastreichen unverwechselbaren Sound.
Stephanie Wagners Quintett zählt zu den seltenen Jazzformationen, in denen die Querflöten als klangprägende Lead-Instrumente zu hören sind. Die Künstlerin und Komponistin ist eine Klangmalerin, die den modernen Jazz in all seiner stilistischen Vielfalt auskostet. Sie setzt flirrende Klängen, aufgeraute Überblastechniken, zwitschernde und percussive Spielweisen oder rhythmischen Verfremdungen ein, um den konventionellen Wohlklang aufzubrechen.
Sensible Partner Wagners sind in diesem Gemeinschaftskonzert der “KiSTE“ (Kultur in Stadecken-Elsheim) und des Jazzclubs Rheinhessen im sommernächtlichen Stadecker Burghof vor allem der Duo-Partner Steffen Weber, Steffen Stütz, Udo Renner und Jens Biehl. Die Flötistin sieht die Band als abenteuerliches Experimentierfeld für ihre Eigenkompositionen, von den an diesem Abend neben jenen der jüngsten CD „Shapes and Colours“ auch einige neue, bislang unveröffentlichte Stücke wie „On and On“ und „Open“ zu hören waren.
Steffen Weber bläst das Tenor- und das Sopransaxophon expressiv oder anhaltend singend, Pianist Steffen Stütz greift virtuos, mal swingend, mal sperrig, in die Tasten, Bassist Udo Brenner zupft solide die Basis und fasziniert mit harmonisch reizvollen Linien in seinen Soli. Der komplexe und polyrhythmisch vielschichtige Drummer Jens Biehl treibt unermüdlich das Quintett an.
Wagner selbst benutzt die natürlichen Erweiterungen ihrer Flöten mit Klappen- und Atemgeräuschen, der Mehrstimmigkeit bei gleichzeitigem Gesang in „Cycles“ sowie dem lautmalerischen und sprunghaften Einsatz in „Roo“, der von einem australischen Känguru inspirierten Komposition. Zielgenau und erfrischend spielen die Komponistin und ihre Partner „krumme Takte“ mit Rhythmuswechseln der Komposition „Salsa Torsida“.
Getragen und balladesk bläst die Musikerin ihre dunkel timbrierte Altflöte in „Airy“ zu den klangvollen Basslinien und der dezenten Untermalung von Piano und Schlagzeug. Lyrik und melancholische Harmonik stehen bei diesem Gemeinschaftskonzert neben modernem Jazz und freien Improvisationen. Die Solistin tänzelt hin und wieder auf der Bühne, bewegt sich im Takt der Musik in der sie ganz aufgeht. Das begeisterte Publikum erklatscht sich die Zugabe „Endlich Urlaub“.