Das Konzert von Silje Nergaard und ihrem Trio findet im Atrium des Forschungszentrums der Heidelberger Druckmaschinen AG statt. Auf den ersten Blick ein zwar repräsentativer aber unpassender Ort für ein Konzert einer Sängerin mit ihrem Trio: eine große Halle mit Freiraum bis zur meterhohen Decke – Stein und Glas, ein Raum, der halligen und schwer einzustellenden Sound ahnen lässt. Eine Befürchtung, die sich erfreulicherweise als unbegründet erweist. Beim heutigen Konzert handelt es sich auch nicht um das erste in der Enjoy Jazz Reihe – im Vorjahr war hier bereits Charles Lloyd umjubelt aufgetreten. Die Heidelberger Druckmaschinen AG ist einer der Hauptsponsoren des Festivals und damit seien ihr die paar reservierten Reihen vorn gegönnt…
Das Konzert von Silge Nergaard beginnt mit einer Sting-Komposition: „Set Them Free“ und damit charakterisiert sie von Beginn an ihren musikalischen Ansatz: Musik ohne Scheuklappen und Berührungsängste. Eine Pop-Sängerin im Jazz-Umfeld mit exzellenten Begleitmusikern. Der fünfte Mann der Band, der Mixer, wird am Ende des Konzerts von Silje Nergaard zurecht gelobt. Er ist zu einem guten Teil für die feinen Nuancen, den kaum wahrnehmbaren aber den Sound „rundmachenden“ Hall zuständig.
Mit ihrer Art des Gesangs, wir Silje Nergaard es nie ganz bis ins Lager der Jazzpuristen schaffen aber selbst dort wird man ihre beeindruckende Bühnenpräsenz und Fähigkeiten als Sängerin anerkennen. Mich erinnert sie ein wenig an Kate Bush, so würde Kate singen, wenn sie Jazz singen würde (und ich mag Kate Bush :-). Eine ungewöhnliche Stimme mit einem ganz eigenen Klang, nicht voluminös aber wandlungsfähig. Ohne besondere Wärme, trotzdem voller Ausdruck und nuancenreich.
Das Repertoire reicht von mehr oder weniger aktuellen Pop-Songs bis zu eigenen Kompositionen, differenziert präsentiert und – da wird sie eben doch zur Jazzsängerin – gelegentlich in ihrer Tiefe ausgelotet, die in der Originalen kaum zu finden ist. Der Schwerpunkt ihres Programms liegt im balladenhaften, schade eigentlich, denn in dem aufgekratztem Titel „Traffic Jamm“ zeigt sie, daß ihr durchaus auch schnelle, witzige Titel liegen. Sie kündigt diesen Song übrigens als Mittel an, ihre Frustration über die deutschen Autobahngewohnheiten an – dicht auffahrende Autofahrer hätten sie „on tour“ ganz schön nervös gemacht.
Besonders erwähnenswert ist Silje Nergaards Begleitband und es macht sie ausgesprochen symphathisch, daß sie diesem Trio sehr viel Freiraum bis hin zu einem eigenen Stück gewährt. Vor allem Tord Gustavsen an Piano und Orgel (und auch mal an der Melodica) beeindruckt durch ein variantenreiches Repertoire zwischen groovig, funkigen Orgelsounds und lyrischem Klavierspiel. Kunststückchen wie die gleichzeitig Bedienung von Orgel und Piano werden professionell in Szene gesetzt underfreuen die Zuhörer. Harald Jonsen am Bass und Jarle Vespestadt am Schlagzeug komplettieren das Trio ausgezeichnet.
Ihr vielbejubeltes Konzert beendet die Sängerin mit einem norwegischen Schlaflied, fast solo, das ihre Tochter allerdings nicht zum Schlafen bringe. Das Publikum auch nicht, es dankt für ein gelungenes Konzert mit langanhaltendem Applaus.