Das Pablo-Held-Trio aus Nordrhein-Westfalen führte in Schwäbisch Hall wieder einen genreübergreifenden Musikmarathon durch: Jazz mit intellektuellem Anspruch.
Auch beim zweiten Event der aktuellen „Jazztime“-Reihe trat in der Hospitalkirche ein konventionell instrumentiertes Klaviertrio an, das zuvor schon beim Haller Jazz-Art-Festival erfolgreich konzertiert hatte. War die singende Pianistin Olivia Trummer schon 2008 da, so spielte Klavier-Kollege Pablo Held vier Jahre später hier. In Helds seit 2006 bestehendem soliden Dreier-Bündnis wirken nach wie vor der Schlagzeuger Jonas Burgwinkel und der Kontrabassist Robert Landfermann mit. Den vielbeschäftigten und variablen Landerfermann konnte man bei vom Jazzclub und vom Kulturbüro gemeinsam verantworteten Veranstaltungen zwischenzeitlich mit den ambitionierten Ensembles der Harfenistin Kathrin Pechlow und des Schlagzeugers Christian Lillinger in Schwäbisch Hall erleben.
Pablo Held wurde Ende 1986 in ein hochmusikalisches Elternhaus hineingeboren. Beide Vater und Mutter haben professionell mit dem Klavier zu tun, wobei der jahrelang an der Max-Reger-Musikschule im südwestfälischen Hagen lehrende Vater Peter seit jeher dem Jazz frönt, gerne frei improvisiert – aber auch komponiert. Mit Jazz, auch von Schallplatten wiedergegeben, ist Pablo Held also seit allerfrühester Kindheit vertraut. So konnte er sich neulich bei einer Radiosendung auf Nachfrage vom neugierigen WDR-Redakteur Michael Rüsenberg nicht erinnern, was eigentlich seine „erste Jazzplatte“ – gehört oder gekauft – gewesen sein mag. Pablo Helds Credo heute: „Wir sind auf der Suche nach etwas Tieferem. Die Spiritualität John Coltranes und auch der emotionale Gehalt in der Musik von Miles Davis haben für mich viel Bedeutung“.
Getrennt oder vereint – Held, Landfermann und Burgwinkel haben schon zahlreiche Ehrungen eingeheimst. Dem Trio an sich wurde 2013 der NRW-Förderpreis und 2014 der SWR-Jazzpreis zuteil. Der nun 37-jährige Robert Landfermann erlernte zunächst Gitarre und Elektrobass, ehe er zum „klassischen“ Kontrabass fand. Diesen zupft er akkurat und streicht gerne mit dem Bogen obertonreich und feine Flageoletts. Der oft perkussiv-filigran vorgehende Schlagzeuger Jonas Burgwinkel kam 1981 im Dreiländereck Aachen zur Welt und studierte zusammen mit Held und Landfermann an der Kölner Musikhochschule.
Beim Konzert in der Hospitalkirche war man darauf gefasst, dass das Trio Held-Stücke wie „Lament“, „Memorabilia“, „Stubborn“ oder „Haiku Kit“ fließend aneinanderreiht und die Grenzen zwischen penibler Komposition und überaus interaktiver Improvisation ebenfalls nahtlos verlaufen. „Investigations“ nennt sich die aktuelle in England erschienene CD, und eine honorige Art von Investigationsjournalismus betreibt Pablo Held übrigens, wenn er kollegial durchgeführte Interviews mit wichtigen Jazz-Künstlern (Wayne Shorter, Peter Erskine usw.) großzügig ins Internet stellt.
Die Musiker hatten nun in Hall massig Notenmaterial dabei und ließen sich dann selbst überraschen, auf welche der vielen Repertoire-Nummern im Konzert letztendlich zugegriffen werden würde. Das offizielle Programm endete mit dem zwischen Vierachtel- und Siebenachteltakt wechselnden Titelstück „Investigations“, als Zugabe erfolgte die in einer Krankheitszeit entstandene „heldenhafte“ Tonschöpfung „Medi Pack“, welche zuweilen wie ein lässiger Swing-Titel klingt. Déjà-vu-Erlebnisse offenbarten sich ohnehin allenthalben.
Ansonsten wurde die ganze stilistische Bandbreite des Jazz ausgelotet, wobei das optimal eingespielte Trio sein edles Klassik-Knowhow nicht verschmähte. Wie bereits in den 1960er Jahren bei Wolfgang Dauner, so demonstrierte man hier eine demokratische Gleichberechtigung der Instrumente. Auf exponierte und exaltierte Solobeiträge wurde bei dieseem Musikmarathon bewusst verzichtet – vom konzentriert lauschenden Publikum kam infolgedessen auch kein eventuell die intellektuelle Bedächtigkeit störender „Szenenapplaus“.
Und so hat der Abend begonnen: Der Kontrabass startet das dann einstündige Kontinuum mit dramatisch erzählenden Pizzicati, volltönig sinnierend, dann anglissandierte Doppelgriffe. Das Schlagzeug mischt sich sachte ein: Der rechte Besen touchiert das Becken, der linke rührt auf der Snare-Drum. Nun bricht der Steinway endlich sein langes Schweigen und bringt gebrochene Sextakkorde, die fortwährend variiert und sequenziert werden. Alsbald entwickelt sich zwischen den beiden Saiteninstrumenten eine innige Zwiesprache, unterstützt durch kluge Kommentare des Rhythmus-Mannes. Elastisch federnd wirkt dies alles, man ist keineswegs an ein strenges Metrum gebunden – mitreißende Up-tempo-Parts kommen erst später. Nach der Konzertpause gibt es wieder ein ausdauerndes Gesamtkunstwerk (dieses Mal aber „nur“ vierzig Minuten lang) und schließlich, wie oben geschrieben, die relativ kurze Zugabe „Medi Pack“ mit auskurierenden Swing-Reminiszenzen.
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen