Ihrer Doppelbegabung ist der 1989 in Speyer geborene Miriam Ast eine eigene und eigenwillige Herangehensweise an den Jazz entwachsen: Als Saxophonistin fühlt sie sich vom Gesang inspiriert und beeinflusst, als Sängerin behandelt sie ihre Stimme wie ein Instrument.
Sie singt und scattet virtuos und mit professionellem Gespür. In ihren vokalen Soli experimentiert sie mit Klangfarben und interagiert mit den Begleitern.
Im Mai 2017 wurde Ast im Duo mit dem Pianisten Victor Gutierrez bei Internationalen Jazzfestival in Bukarest mit den „Best Vocalist Prize“ bedacht. Für das Duo war dies Anlass, den Gang ins Studio zu wagen und dort die CD. „Secret Songs“ einzuspielen. Zur Unterstützung holten sich Ast und Gutierrez den renommierten Tenorsaxophonisten Stan Sulzman.
„Secret Songs“ ist ein sehr persönliches Album geworden. Die beiden Künstler interpretierte darauf neben Eigenkompositionen von Miriam Ast wie „Love Song“ und „Song for Stan“ oder Spanish Song“ von Victor Gutierrez auch weltbekannte Standards wie „Round Midnight“ von Thlonious Monk“ du Cole Porters „Night and day“. Ihre Fertigkeit im Scatten belegt die Sängerin bereits im Opener „Don´t get too cocky“ und im abschließenden „The Song in you“. Bei „Song for Stan“ gefallen vor dem die Unisono-Passagen und Streitgespräche von Stimme und Tenorsaxophon. Geprägt von warmen und lyrischen Klängen ist das Duo-Spiel, wobei die Sängerin mit Klangfarben experimentiert. Kritiker haben auf der CD einen Trend zum Akademischen festgestellt, dem Duo aber auch Reife und Professionalität bescheinigt.
Über ihre CD „Secret Songs“, ihre Arbeit in London sowie die Erfahrungen ihrer Arbeit in der Hochschule für Musik in Mainz sprach Klaus Mümpfer mit Miriam Ast.
Frage: Kannst Du in einem kurzen Statement die Vorgeschichte der CD „Secret Song“ beschreiben?
Ast: Ich lernte den spanischen Pianisten Victor Gutierrez im Jahr 2015 während meines Masters an der Royal Academy of Music kennen. Wir begannen regelmäßig miteinander zu jammen und nach einer Weile entwickelten wir unsere eigenen Arrangements von Jazzstandards. Wir begannen auch, eigenes Material fürs Duo zu schreiben und zu arrangieren. Nach unserem Erfolg beim Wettbewerb in Bukarest, beschlossen wir ins Studio zu gehen und unser Debüt-Album ‚Secret Songs’ aufzunehmen. Wir featuren auf dem Album den renommierten britischen Saxophonisten Stan Sulzmann, der mit Größen wie Kenny Wheeler, Michael Brecker und Gil Evans aufgetreten ist.
Nach einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne zur Unterstützung bei den Kosten für das Album, wurde ‚Secrest Songs’ am 3. Juli beim Label Mons Records veröffentlicht und das Release-Konzert fand am 5. Juli beim Festival SommerNachtJazz in der Altmünsterkirche in Mainz statt. Die offizielle Release in England wird am 11. Oktober im legendären 606 Club im London stattfinden, wo wir gemeinsam mit Stan Sulzmann und Perkussionist Andres Ticino auftreten. Ein weiteres Highlight wird eine Performance am 20. November beim London Jazz Festival mit Saxophonistin Tori Freestone.
Frage: Was hat Dich bewogen, nach London umzuziehen?
Ast: Ich hatte bereits während meines Bachelors in Mainz den Wunsch, ein Auslandssemester zu machen oder eine längere Zeit im Ausland zu leben. Zu dieser Zeit hatte ich jedoch viele musikalische Projekte am Laufen, weshalb ich mich dazu entschied, erst nach abgeschlossenem Bachelor meinen Auslandsaufenthalt zu planen. Im Grunde ging es mir darum, eine größere Jazzszene in Europa kennenzulernen, um neue musikalische Erfahrungen zu machen und internationale Kontakte zu knüpfen. Ich hatte mich bereits vor meinem Umzug nach London mit der Musik bekannter britischer Jazzmusiker wie Kenny Wheeler, John Taylor und der Grande Dame des europäischen Jazzgesangs, Norma Winstone beschäftigt. Die Musik berührte mich und ich hatte schon einiges von der lebhaften Londoner Jazzszene gehört. Dies war letztendlich der Beweggrund, mich für ein Masterstudium an der renommierten Royal Academy of Music in London zu bewerben.
Frage: Du bist seit 2015 Mitglied des „London Vocal Project“ unter der Leitung von Pete Churchill. Woran arbeitest Du sonst noch in England?
Ast: Mittlerweile lebe ich in London als freiberufliche Musikerin. Mein Masterstudium habe ich 2016 abgeschlossen. Aus dieser Zeit sind zwei Projekte hervorgegangen, mit denen ich vorwiegend auftrete, mein Quintett und ein Duoprojekt mit dem spanischen Pianisten Victor Gutierrez. Im Duo haben wir im Juli unser Debüt-Album mit dem Titel ‚Secret Songs’ beim deutschen Label Mons Records veröffentlicht. Es ist eine sehr spannende Zusammenarbeit, da wir uns sehr gut persönlich wie auch musikalisch ergänzen und das Projekt gemeinsam leiten. Wir freuen uns auf ein paar spannende Auftritte in den nächsten Monaten, unter anderem werden wir beim weltbekannten London Jazz Festival im November auftreten. Seit 2015 bin ich auch Sängerin im London Vocal Project, mit dem ich das legendäre Jazzalbum ‚Miles Ahead’ von Gil Evans und Miles Davis in Zusammenarbeit mit Jon Hendricks, 2017 in New York als für Stimmen adaptiertes Chor-Werk uraufgeführt habe.
Natürlich ist es nicht einfach in London als Musikerin zu leben bei extrem hohen Mieten und Lebenskosten und so bin ich sehr froh seit letztem Jahr am Leeds College of Music als Gesangsdozentin angestellt zu sein. Ich unterrichte hier Hauptfach Jazzgesang sowie Gruppen und Ensembles und schätze mich glücklich, hier meine Leidenschaft an interessierte junge Sänger/innen weiterzugeben, die ihr Leben auch der Musik widmen wollen.
Frage: Ich habe Dich in Deutschland mit Vitold Rek, bei den „Young Spirits“, „KlezmersTechter“ und bei zahlreichen anderen Konzerten gehört. Hast Du noch Kontakte – Natürlich neben Deinen Eltern in Speyer – nach Deutschland und nach Mainz?
Ast: Ja, ich habe noch einige Kontakte nach Mainz. Jedoch ist es nicht leicht, in beiden Jazzszenen aktiv zu bleiben. Zur Veröffentlichung meines ersten Albums im Juli bot sich die Gelegenheit, mein Projekt in der Altmünsterkirche zu präsentieren. Es war ein tolles Wiedersehen mit vielen ehemaligen Kommilitonen aus Mainz. Ich finde es schön, dass immer noch Interesse von den Leuten da ist, gemeinsam zu musizieren. Im Juni wurde ich zum Beispiel von meinem ehemaligen Bandkollegen Nico Hering engagiert, mit seinem Trio im Jazzkeller Frankfurt aufzutreten. Ich halte auch noch regen Kontakt zu Sebastian Sternal in Mainz, mit dem ich 2015 ein Duokonzert gespielt habe. Die fünf Jahre hier waren sehr prägend und haben das Fundament für meinen künstlerischen Ausdruck geschaffen.
Frage: Was ist von den Projekten mit Vitold Rek, Klezmers Techter oder den Auftritten in der Hochschule für Musik in Mainz außeer Erinnerungen gblieben?
Ast: Mit Vitold hatte ich mein letztes Konzert mit den Young Spirits 2015 und auch die Zeit des Cathedral-Projekts ist nun vorbei. Jedoch sind mir sicherlich sehr gute musikalische Kontakte mit Vitold Rek und Peter Reiter geblieben, von denen ich viel während unserer Zusammenarbeit lernen durfte. Ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, mit beiden mal wieder aufzutreten, auch wenn zur Zeit nichts in Planung ist. Mit Klezmers Techter bin ich immer noch in Kontakt. Wir haben in den letzten Jahren kleine Touren in Deutschland gespielt und werden auch im Oktober wieder in Deutschland auftreten. Ich freue mich immer sehr, mit den drei erfahrenen Musikerinnen auf der Bühne zu stehen, da sie eine unglaubliche Energie und Spielfreude ausstrahlen.
Frage: Welche spontanen Erinnerungen sind Dir im Gedächtnis geblieben?
Ast:Toll organisierte Semesterabschlusskonzerten mit klasse Stimmung und laue Sommerabende am Rhein. Mein „Ella & Louis“-Auftritt 2012 im Frankfurter Hof war definitiv ein Highlight sowie die tolle Zusammenarbeit mit Musikern des Pariser Konservatoriums, organisiert von Sebastian Sternal. Die Hochschule in Mainz hat mich in meiner Entwicklung als Sängerin und Saxophonistin unterstützt, mein Potential als Musikerin zu entfalten. Die Erfolge in Mainz haben mich auch motiviert den nächsten Schritt zu gehen, und weitere Erfahrungen im Ausland zu machen.
Frage: Welche Preise und Auszeichnungen hast Du errungen?
Ast: Eigentlich habe ich mich nie besonders für Wettbewerbe interessiert, da ich den kompetitiven Geist in der Musik überhaupt nicht mag. Ich weiß jedoch, dass Wettbewerbe hilfreich sein können, um sich als aufstrebender Künstler zu etablieren. Im Mai 2017 habe ich im Duo den ‚Best Vocalist’ Prize beim Internationalen Jazzwettbewerb in Bukarest gewonnen und ich war letztes Jahr eine von sieben Semi-Finalisten beim bekannten „Shure Montreux“ Jazzgesangs-Wettbewerb, bei dem Cécile McLorin Salvant den Jury-Vorsitz hatte.
Frage: Kannst Du in wenigen Stichworten Deine Ausbildung und Beruf aufzählen?
Ast: Ich sammelte frühe musikalische Erfahrungen als Sängerin im Gospelchor Speyer und als Saxophonist im Landesjugendjazzorchester Rheinland-Pfalz, mit dem ich 2008 eine Südafrika-Tour unternahm. 2009 bis 2014 folgte das Bachelor Studium an der Hochschule für Musik in Mainz mit dem Doppelhauptfach für Saxophon und Jazzgesang. 2014 bis 2016 absolvierte ich das Masterstudium in Jazz Performance an der Royal Academy of Music in London.
Im Februar 2017 wurde die Vokaladaption von „Miles Ahead“ in New York in der Zusammenarbeit mit Jon Hendricks uraufgeführt. Im Juli desselben Jahres war ich Semi-Finalistin beim „Shure Montreux Jazz-Voice Competition.
Seit September 2017 bin ich Dozentin für Jazzgesang und Ensemble am Leeds College of Music, 2017 bis Mai 2018 Dozentin am King´s College London und seit September 2018 Gesangsdozentin an der University of Leeds.
CD: Miriam Ast & Victor Gutierrez feat. Stan Sulzman – Secret Songs
Mons Records MR 874613
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