Lahnsteiner Bluesfestival am 1. Oktober 2016

Mit seiner Mischung aus Blues, Boogie, Funk und Rock sowie angereichert durch deutschen Blues mit Pop-Elementen stellte dieses 36. Lahnsteiner Bluesfestival 2016 möglicherweise ein Klientel der Blues-Puristen nicht ganz zufrieden, war jedoch für jene Liebhaber dieser Musik mit offenen Ohren und Emotionen eines der gelungensten der zurückliegenden Jahren. Sicher nicht ohne Hintergedanken hatte die Projektgruppe dem Festival das zweisprachige Motto „Out oft he blue – Aus heiterem Himmel“ verliehen. Das Spektrum reichte vom originellen Boogie des blutjungen Duos Luca Sestak und Johannes Niklas über den Südstaaten-Blues mit den funky Bläser-Riffs von „Malted Milk“ sowie dem groovenden und tanzbaren Blues des Freischlader-Trios bis zu dem mit deutschen Texten und poppig angehauchten Blues des Max Mutzke-Quintetts.

Mit dem Blues-Louis, der Trophäe des Lahnsteiner Festivals, wurde in diesem Jahr der Sänger und Blues-Harp-Spieler Klaus „Mojo“ Kilian ausgezeichnet. Der so geehrte Musiker nahm die Gelegenheit wahr, in Lahnstein mit seinem langjährigen Freund, dem Gitarristen, Bernd Simon, und dem Lap-Steel-Gitarristen Holger Schultze als „Down Home Percolators“ die bekannte Louisiana-Red-Komposition „Ride on Red, Ride on“ zu interpretieren. Und nach der Laudatio von Giorgina Kazungu-Haß bot sich die Möglichkeit, mit der früheren Blues-Shouterin den Song „Wild women don´t have the Blues“ anzustimmen. Die heutigen Langtagsabgeordnete Giorgina Kazungu stand 1994 als 15-Jährige auf der Bühne des Lahnsteiner Bluesfestivals. Sie hat an Reife gewonnen, von der Kraft und Intensität in den vielen Jahren jedoch nichts verloren. Zum mitreißenden Titel „Let the good times roll“ verbündeten sich Kilian und seine Partner schließlich noch mit dem Pianisten Luca Sestak und dem Drummer Johannes Niklas.

In ihrer kurzweiligen Laudatio für Klaus Kilian betonte Kazungu-Haß, dass der Blues keine Hautfarbe kenne und heutzutage an keinem Ort auf der Landkarte festzumachen sei. Sie nannte Kilian „den Schatzwart dieser Musik“. Der Künstler sei ein akribischer Chronist, der den Blues allen Fans zugänglich gemacht habe. Auch aus diesem Grund trage Klaus Milan den Zusatz „Mojo“, also „Talisman“, zu Recht.

Klaus „Mojo“ Kilian ist der 18. Preisträger in einer Reihe, zu der unter anderem auch Bill Ramsey, Fritz Rau, Inga Rupf, Klaus Doldinger, Chris Barber und Bill Wyman gehören.

Mit eigenständigen und originellen Boogie-Interpretationen hatten der Pianist Luca Sestak und der Schlagzeuger Johannes Niklas das fast sechsstündige Festival eröffnet. Neben der angesichts der Jugend bewundernswerten technischen Beherrschung der Instrumente – etwa beim rasend schnellen Boogie „Key engine“ – überraschte der erst 18-jährige Schlagzeuger mit zeitweiligem Klöppelspiel auf den Saiten im Innern des Flügels, der kaum viel ältere Pianist mit einem ausgefallenen Arrangement von Burdons „House of the rising sun“.

Henrik Freischlader ist nicht nur ein virtuoser Glissando-Spezialist, der rasende Läufe aus den Saiten seiner Gitarre reißt,  sondern auch ein Musiker, der in manchen Soli seine Harmonieläufe ökonomisch auf ihren Kern reduziert, der mit seinem Trio nahtlos Temposteigerungen und Drive realisiert, wobei der Drummer Carl-Michael Grabinger wie das „Tier“ in der Sesamstraße agiert. Mitreißend sind die Duo-Einschübe des Gitarristen mit dem Bassisten Alex Grube.

Mit einem funky Bläsersatz von Posaune und Trompete sorgte „Malted Milk“ aus dem bretonischen Nantes vor rund 900 Zuhörern des Bluesfestivals für einen kurzweiligen Abschluss weit nach Mitternacht. Arnaud Fradin zupfte in einen Soli bluesgeschwängerte Akkorde und Single-Note-Linien und sang mit heller Stimme den Südstaaten-Blues. Sein Septett präsentierte prickelndes Rhythm´n´Blues-Feeling mit rockendem Saitenspiel und jazzigen Rhythmen.

Höhepunkt für viele Besucher dieses Festivals war sicherlich der Sänger Max Mutzke mit seinem hervorragenden Quartett. Man mag über die deutschen Texte geteilter Meinung sein, auch wenn sie wie „Schwarz auf weiss“ oder „Sommerregen“ von Liebhaberinnen als Hits eingestuft werden. Geschickt plazierte Mutzke sein Ruf-Antwort-Spiel im Duo mit dem Keyboarder Maik Schott, setzen sich Gitarrist Justin Balk und Bassist Danny Samar in Szene und stützte Tobias Held am Schlagzeug den treibenden Pulse. Unbestritten ist Mutzkes stimmliche Virtuosität. Noch nie hat ein Sänger so offensichtlich perfekt die Zirkularatmung eingesetzt, das Volumen der Stimme bis zum Falsett ausgereizt. Dass er den Blues hat, will niemand bestreiten. Und seine Interpretation von „Me and Missis Jones“ begeisterte. Einige Zuhörerinnen kreischten, ganz so wie Mutzke es mehrfach vorausgesagt hat.

Unterhaltsam und kenntnisreich moderierte Arnim Töpel den langen Abend.


Mümpfers Jazznotizen

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