Jazz Festival Leibnitz 2019 – Rückschau und Photos

Drei Tage Jazz, in einer Weinregion, was könnte schon schief gehen? Eigentlich nur das Wetter, aber selbst das war den Veranstaltern im südlichsten Österreich, im in der Steiermark gelegenen Leibnitz hold. „Internationales Jazzfestival Leibnitz“ – der Begriff „international“ spielt tatsächlich eine wesentliche Rolle, denn im Gegensatz zu anderen österreichischen Jazzfestivals ist Leibnitz weniger ein Schaufenster der österreichischen Jazzszene. Musiker aus dem Lande landen eher als „Beifang auf der Bühne“. Musikalisch verantwortet wird das Programm in Leibnitz von Otmar Klammer, der im nicht weit gelegenen – und im Festivalzeitraum eigens mit einem Jazz-Shuttlebus angebundenen – Graz mit „Stockwerk Jazz“ den wichtigsten Jazzclub der Region betreibt.

Das Festivalprogramm startete in einer der Satellitenspielstätten des Festivals, auf Schloss Seggau, mit einem kleinen Empfang am Nachmittag. Das heitere spätsommerliche Zusammentreffen gab die Grundstimmung des Festivals vor. Das Musikprogramm begann dann im Bischöfflichen Weinkeller, an diesem Abend zu einem grandios großen Jazzkeller umfunktioniert. Lyrische Musik gab es dort zunächst, mit dem schlagzeuglosen Trio der beiden Gitarristen Philip Catherine und Paulo Morello, begleitet vom deutschen Bassisten Sven Faller. Fein gesponnene Triomusik mit dem Programm ihrer aktuellen CD „Manoir de mes rêves“ einer Hommage an Django Reinhard und die Musik der Nachkriegszeit.

Nach dem historisch-swingendem Auftakt dann der Sprung in die Jetztzeit. „Das Kapital“ mit Daniel Erdmann, Hasse Poulsen und Edward Perraud hat viele Klassiker im Programm. Französische Musikgeschichte vom Ravelschen „Pavane pour une infante défunte“ über „Born to be alive“ bis „La Mer“ humorvoll, brillant und eigensinnig interpretiert. „Vive la France“ der aktuelle Tonträger ist ebenso begeisternd wie der Liveauftritt des Trios beim Jazzfestival Leibnitz war.

Das Hauptprogramm in Leibnitz fand in den folgenden zwei Tagen im Kulturzentrum Leibnitz statt. Und es bestand aus zwei deutlich unterschiedlichen Abenden. Miguel Zenón 4 machten den Auftakt und spielten eine hochkomplexe Musik, eine Art von Latin 2.0. Die konnte man entweder mit Staunen hören und ihren kühlen Glanz bewundern oder eben diese gewisse Kühle auch Mangel empfinden. Die wenigen zugewandten Gesten gegenüber dem Publikum und die raren Momente der sichtbar freundlichen Interaktion mit der Band wirkten spröde. Gar nicht spröde die folgende Espoo Bigband: die zeigte sich nicht nur spielfreudig, sie konnte auch mit einem gewissen Hang zum Klamauk bei hohem musikalischem Niveau locker die Herzen des Leibnitzer Publikums gewinnen.

Beim Trompeter Tom Harrell kann man sich seit Jahrzehnten fragen, was aus ihm ohne seine psychische Erkrankung hätte werden können. Er schlurft langsam auf die Bühne, der Kopf Richtung Brust geknickt, und ein kräftiger Vollbart lässt ihn noch älter wirken als seine tatsächlichen 73 Jahre. Sichtbare Kommunikation mit den Musikern scheint kaum möglich, musikalisch ergibt sich mit Mark Turner am Saxophon, Charles Altura an der Gitarre, Ugonna Okegwo am Bass und Jonathan Blake am Schlagzeug aber Jazz voller Intuition und Wärme. Wenn Harrell zu Trompete und Flügelhorn greift sind kristallklare Improvisationen zu hören, in ihrer Kürze prägnant und reduziert auf das Wesentliche. Die Band umschließt ihren Frontman und ist in jeder Hinsicht auf dem gleichen hohen Niveau – Modern Jazz im Jahr 2019, immer noch frisch und mit Aussage. Den spielte das Noah Preminger Quartett mit dem fabelhaften Trompeter Jason Palmer übrigens schon zuvor.

Der sonntägliche Abschluss im Weingartenhotel Harkamp, wenige Kilometer von Leibnitz entfernt, zeigt das sonnige Festival noch einmal von seiner schönsten Seite: mit einem Blick vom pittoresk gelegenen Hotel inmitten von Reben in die fast noch pittoreskere Landschaft der Weingegend der Steiermark. Und musikalisch führt die „Ivo Papasov Wedding Band“ in den Süden über die Grenze: mit einem Mix aus bulgarischer Folklore, Balkanjazz und Einsprengseln von Klassik und Rock. Ein kaum beschreibbarer Mix der zum großen Finale die Besucher zum Tanzen brachte.

| Jazz Festival Leibnitz

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