Herbert Joos – Ein Nachruf von Hans Kumpf

„Die Pausen sind das Wichtigste in der Musik“
Trompeter Herbert Joos verstarb 79-jährig

Am 7. Dezember 2019 verstarb der Trompeter und Grafiker Herbert Joos nach kurzer schwerer Krankheit in einem Baden-Badener Krankenhaus – ein herber Verlust für die Kulturlandschaft Baden-Württembergs und weit darüber hinaus. Der versierte Künstler wurde 79 Jahre alt.

„Der Amerikanismus erdrückt uns. Einen guten Job kriegt man gerade, wenn mal eine einigermaßen gute Platte herausgekommen ist – und dann haben die Konzertveranstalter wieder ihre Schuldigkeit getan. Die Amerikaner werden von Festival zu Festival gereicht, und wenn du irgendwo zweimal spielen willst, dann heißt es: Es geht nicht, das können wir nicht machen.“ Das waren vor vier Jahrzehnten die immer noch gültigen frustrierten Worte des Flügelhornisten und Komponisten Herbert Joos. Mit seinem niveauvollen und subtilen Avantgarde-Jazz, der für manche Gemüter schon zu viel der „abstrakten“ zeitgenössischen Musik in sich birgt, hatte es Joos auf der Szene ohnehin schwer – auf einer Szene, wo amerikanische Nationalität und (schwarze) Hautfarbe allzu häufig ungeprüft schon als Qualitätsmerkmal gelten.

Joos wurde am 21. März 1940 in Karlsruhe geboren, und im „Modern Jazz Quintett Karlsruhe“, das eine stilistische Wendung vom Westcoast-Jazz bis zum Free Jazz unternahm, machte er sich in den 1960er Jahren einen klangvollen Namen – wenigstens bei den Insidern. Als der Bassist die Gruppe verließ, da waren es nur noch vier: „Fourmenonly“. Später beteiligte sich Joos, der inzwischen seinen Hauptwohnsitz nach Stuttgart verlegt hatte, an vielerlei Projekten, besonders in Österreich – markant dabei das „Vienna Art Orchestra“ von Matthias Rüegg.

Es blieb stets das Typische an der Instrumentenbehandlung von Joos: Eine präzise Artikulation, keine Spur von Schlamperei und „Herunternudeln“, eine weiche Tongebung – kein Blechbläser, der mit einem vordergründigen strahlenden Glanz seine Show abzog. Herbert Joos war genaugenommen kein „Trompeter“ im engeren Sinn: Als sein Hauptinstrument galt das ohnehin „schmiegsamere“ Flügelhorn.

Herbert Joos liebte das Detail, das Feingesponnene, das Nuancierte. Dies zeigte sich nicht nur bei seinen Kompositionen und seinem Spiel – dies ließ sich auch ersehen aus seinen Grafiken, die er quasi im Nebenberuf erstellte. Feingestrichelt portraitierte er da besonders gerne Jazzkollegen. Und auch seine schriftlich fixierten Kompositionen hatten einen ausgesprochen grafischen Reiz.

1984 wurde Herbert Joos mit dem Südwestfunk-Preis ausgezeichnet, im Januar 2017 überreichte ihm die Kunststaatssekretärin Petra Olschowski im Stuttgarter Theaterhaus den mit 10 000 Euro dotierten Sonderpreis für sein Lebenswerk. „Mit Herbert Joos ehren wir einen Meister des Schönen, des Atmosphärischen, des Erzählens, der feinen Melancholie, aber auch der menschlichen Fragilität. Seine Kompositionen zeichnen sich durch eine ganz eigene Magie und einen besonderen Klang, einen unverkennbaren, warmen, sinnlichen und vielfältigen Ton aus“, verlas die Politikerin.

Die gewitzte Laudatio hielt der TV-populäre Sterne-Koch und Hobby-Brass-Musiker Vincent Klink, der ja eine enge Bindung zum Jazz unterhält – Klink und Joos hatten seit vielen Jahren den gleichen Spielpartner am Piano, nämlich Patrick Bebelaar. „Seine Musik ist das Gegenteil von Beiläufigkeit“, lobte der bodenständige Gourmet.

Musikalisch präsentierte sich Joos bei der Verleihung des Preises zunächst in Trio-Besetzung. Dabei der virtuose Patrick Bebelaar, der erfahrene Günter Lenz am Kontrabass und Herbert Joos, der sich noch als heißblütiger Scat-Man erwies. Doch bei all den furiosen Attacken blieb auch genügend Raum für die Stille nach dem in einem Portraitfilm geäußerten Glaubenssatz von Herbert Joos „Die Pausen sind das Wichtigste in der Musik“.

Der Saxophonist und Klarinettist Bernd Konrad, emeritierter Jazz-Professor an der Stuttgarter Musikhochschule, erinnert daran, dass er mit Joos genau 50 Jahre lang kooperieren konnte: „Mit Herbert verband mich eine lange musikalische Freundschaft, wahrscheinlich die längste in meinem Musikerleben. Herbert war ein phänomenaler Trompeter, der Meilensteine in der Kunst des Trompetenspielens gesetzt hat. Sein Ton war sein Geheimnis: Luftig und leicht und mit einem Gefühl, das das Innerste zum Schwingen bringen konnte. Gemeinsam spielten wir vier LPs und vier CDs ein. Er verkörperte – unabhängig vom kommerziellen Erfolg – den Typ des kompromisslosen Jazzmusikers, der seine eigene Vorstellung von Musik und Klang umzusetzen wusste.“

Patrick Bebelaar führt aus: „Herbert war mein Lehrmeister, mit seiner ständigen Ermahnung: ‚Weniger spielen, mehr hören!‘ . Aber er war darüber hinaus so viel mehr. Ein Freund, kompromissloser Lebenskünstler mit einer klaren Vorstellung seiner ganz eigenen Individualität, im Klang, am Stift, in der Art sich zu kleiden, seine Wohnung einzurichten – ein Gesamtkunstwerk. Immer voller Humor, Lebens- und Genussfreude und immer mit tiefer Empathie. Ein Mensch, der sein Leben wie ein Ton aus seiner Trompete lebte: Intensiv und voll im Klang und doch leicht und tief beseelt, sich von der Luft tragen lassend. Ich vermisse ihn.“

Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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