Duo Ron Carter und Richard Galliano in Manz, 24. März 2017

Galliano & Carter - Photo: Mümpfer

„Der Bass ist die Basis“, sagte Ron Carter vor einem Solo-Konzert in der Rüsselsheimer Jazzfabrik. Erläuternd fügte er hinzu: „Der Bassist ist die Stütze der Formation. Er zeichnet verantwortlich für Time, Rhythmus, Harmonik und Linien.“ Richard Galliano, der mit dem „New Musette“ die Renaissance des Akkordeons im Jazz einleitete, vergleicht sich und Carter mit zwei Bergsteigern, die sich zuhören und sensibel aufeinander reagieren. Ron Carter und Richard Galliano sind musikalische Partner auf Augenhöhe.

Die ganze Bandbreite an Material steht ihnen zur Verfügung: vom Blues bis zur Musette, vom Tango bis zum Bossa, vom Swing bis zum Bebop. So stehen zwei virtuose Altmeister auf der Bühne des Frankfurter Hofes in Mainz, spielen sich die Ideen zu – zeitweise im Duett mit Call and Response: Ron Carter, der als perfekter Bassist in diesem Mai das 80. Lebensjahr vollendet, und der Erfinder des „New Musette“, Richard Galliano, der im Dezember 67 Jahre alt wird. Sie verständigen sich in der universellen Sprache der Musik und mit der intimen Seelenverwandtschaft zweier Kulturen.

Vordergründig wirkt der Dialog der beiden Künstler eher konventionell. Doch im Zwiegespräch auf der Basis von Blues sowie von latin-Inspiriertem und französischer Walzermelancholie erfülltem Akkordeonspiel zeigen sich Raffinesse, dynamische Abstufungen, nahtlose Tempowechsel und musikalische Eigenständigkeit. Ron Carters abgeschliffenen, auf den Kern reduzierten, aber nicht ganz abstrakten Linien, treffen auf die Harmoniefolgen und Rhythmen, mit denen der Akkordeonist Richard Galliano seine Wiederbelebung der leidenschaftlichen Musettes ausstattet. Immer wieder driften die Improvisationen der beiden Musiker auseinander und finden sich harmonisch wieder.

Als Bassist mit schier unbegrenzten technischen und musikalischen Fähigkeiten erweist sich Carter, der auf mehr als 2.000 Einspielungen mitwirkte, in einem Solostück. Die riskanten Drops, mit denen der Künstler seine straighten Linien auflockert, stecken in den Improvisationen über dem Standard „You are my sunshine“ voller melodischer Abenteuer. Andererseits zeigt Galliano in seinen Solo-Präsentationen oder dem „Little Waltz“, dass nicht das Instrument, sondern der Künstler die Grenzen des Ausdrucks setzt. Der Solist wird gestalterisch jeglicher Rücksichtnahme enthoben – wie schon zuvor der Bassist in seinem unbegleiteten Alleingang freier wirkte. Das gilt für Balladen wie für Up-Tempo-Stücke gleichermaßen.

1990 haben die beiden Protagonisten des musikalischen Joint Ventures ihre CD „Panamanhatten“ aufgenommen, deren Titel sie nach 27 Jahren im Mainzer Konzert wiederbeleben. Zwar verharrt keiner in seiner angestammten Rolle, doch so wundervoll und raffiniert die Duo-Präsentationen vom „It´s about time“ und „Tea for Toots“ bis zum kraftvollen und wuchtigen „Blues for D.P.“ oder der Zugabe „All the things you are“ auch wirken, sie sind nur wenig mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Das Publikum im ausverkauften Frankfurter Hof lauscht aufmerksam, ist fasziniert von den Duetten und Duellen, bejubelt die beiden Welt-Stars mit „stehenden Ovationen“. Carter und Galliano verbeugen sie sich freundlich und verabschieden sich nach fast genau 90 Minuten.

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