Engelhafter Saitenklang mit sanftmütiger Atonalität
Die Berliner Harfenistin Kathrin Pechlof kooperierte mit den Jazzern Christian Weidner (Altsaxophon) und Robert Landfermann (Bass) vor einem sehr neugierigen Publikum in der Hospitalkirche von Schwäbisch Hall.
Der Deutsche Jonny Teupen (1923-1991) spielte einst eine reichlich pop-elektrisch verstärkte Harfe, der Eidgenosse Andreas Vollenweider entrückte dieses Chordophon sodann im Schmuse-und-Schlummer-Sound zu meditativen New-Age-Sphären. Im zeitgenössischen Jazz gebrauchten die Pianistinnen Alice Coltrane und Iro Haarla (Frau des finnischen Drummers Edward Vesala) die Harfe lediglich als Zweitinstrument. In den USA blieb es Lois Colin und vor allem Deborah Henson-Conant vorbehalten, diesen „engelhaften“ Saitenklinger für den Jazz zu emanzipieren – und in der Männerwelt gehörigen Respekt zu erheischen. Bei Deborah Henson-Conant ging mit einer ungewöhnlich „scharfen“ Harfe wirklich die Musik ab. Die vitale Kalifornierin hatte den Trick heraus – sie drückte am Instrumentenhals unmittelbar bei den Stimmwirbeln auf die Saiten und glissandierte so einzelne Töne an, als wäre die altehrwürdige Harfe eine tiefschwarze Bluesgitarre. In der mitteleuropäischen Jazzszene fallen derzeit drei Damen durch ihr spezielles Saitenspiel auf, nämlich Maja Taube (Nürnberg), Julie Campiche (Genf) sowie die in München geborene Kathrin Pechlof.
Kathrin Pechlof lässt es hinsichtlich der Spieltechnik eher klassisch-konventionell angehen. Die Wahlberlinerin stellte jetzt ihr seit einem Jahrzehnt konstant bestehendes Trio in Schwäbisch Hall vor: Christian Weidner, nun in der Saxophon-Dozentur an der Stuttgarter Musikhochschule Nachfolger vom emeritierten Professor Bernd Konrad, und der zumindest durch das Pablo-Held-Trio her bekannte Bassist Robert Landfermann sind ihre jazzenden Partner, die in der Hospitalkirche absolut „unplugged“ auftraten. Sie selbst brachte auf ihrer naturbelassenen Konzertharfe in der Hospitalkirche nicht typische Jazzphrasierung oder neue Klangaspekte ihres immerhin per Tonabnehmer etwas verstärkten Instruments ein.
Aber zu süßlich und himmlisch verträumt geriet Kathrin Pechlofs zartes Saitenspiel im Gesamtkontext dann doch keineswegs. In den ausgefeilten Kompositionen, welche reichlich Freiraum für interaktive Wechselspiele ließen, kam traute Funktionsharmonik überhaupt nicht vor. Vielfach dominierte Atonales, zumindest aber Freitonales. Man hörte oft abstrakte – am Bebop orientierte – Melodienverläufe, gepaart reihenweise mit Pausen und Fermaten. Agogik anstatt eines starren Metrums. Und all die letzten Endes romantisch-impressionistisch wirkenden Miniatur-Werke, quasi kurze Aphorismen, wurden weich gebettet in dezente Lautstärke.
Christian Weidner beschränkte sich auf das Altsax und blies zunächst mit einem überaus kultiviert-reinen Ton, wobei er an den coolen Schöntöner Paul Desmond gemahnte. Im Verlauf des relativ kurzen Konzertabends, organisiert vom Jazzclub und dem Kulturbüro, wartete er noch mit kontrollierten Quietschern auf. Bei aller Idylle – ein bisschen Free Jazz darf sein. Robert Landfermann zupfte akkurat seinen Bass, strich mit dem Bogen feine Flageoletts und sorgte im schlagzeuglosen Trio zuweilen für das swingende Time-Gefühl. Originalton Pechlof: „Christian und Robert sind unglaubliche Musiker. Es ist ein Geschenk, mit ihnen zu spielen. Sie haben die Gabe, mit dem Klangkosmos der Harfe zu korrespondieren“. Allenthalben Verklärung bei den Titeln der – auf zwei CDs verewigten – Eigenkompositionen des Trios: „Fernen, wie sie vielleicht nur Vögel kennen“, „Silence is a Looking Bird“, „Made up Animals“, „Feldfolge“, „Von Stille umwoben“ oder „Imaginarium“. Einen ganz eigenen Charakter kann man der Formation von Kathrin Pechlof nicht absprechen. Und Individualität (samt Gemeinschaftssinn) ist ja ein Markenzeichen im Jazz.
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen