Manu Katché trommelte in Schwäbisch Hall bei Benjamin Lackner

Harmonische Einheit mit Super-Drummer

Der Weltklasseschlagwerker Manu Katché ordnete sich im Quartett des Berliner Pianisten Benjamin Lackner unter. Das Publikum reagierte beim impressionistischen „Jazztime“-Konzert in der Haller Hospitalkirche geradezu enthusiastisch.

Nachdem der Kartenvorverkauf noch ziemlich schleppend verlief, war am Konzertabend die schmucke Hospitalkirche fast vollbesetzt. Der Stargast des Events, Emmanuel „Manu“ Katché, spielte ja schon oft „open air“ vor einem Massenpublikum, und im Mai wird er mit der Pop-Rock-Ikone Peter Gabriel erneut eine musikalische Weltreise unternehmen. Freilich ist sich der renommierte Drummer nicht zu schade, vor einem relativ kleinen aber gediegenen Zuhörerkreis aufzutreten.

Nun integrierte sich der 64-jährige Franzose mit ivorischen Wurzeln bereitwillig in das Quartett des wieder in Berlin wohnhaften Deutsch-Amerikaners Benjamin Lackner. Der 1976 geborene Pianist durfte im September 2021 für das Münchener ECM-Label einen Tonträger unter dem Titel „Last Decade“ aufnehmen. Produzent Manfred Eicher ermöglichte, dass da weitere Gallionsträger seines global geachteten Plattenlabels mitmischten. Neben Katché ist dies der Norweger Mathias Eick, der seine Trompete nunmehr digitalfrei und naturbelassen ließ. Der Kontrabassist Jérôme Regard hatte sich zuvor oft als kongenialer Companion von Benny Lackner bewährt.

Schon der Opener „Where Do We Go From Here“ offenbarte symptomatisch die Konzeption der Combo: Langsame Tempi ohne durchgehend striktes Festkleben an einem starr-sturen Metrum, sanfte choralhafte Melodien von nobler Tristesse, harmonischer Schönklang und – vor allem – ein engverzahntes Interagieren. Unbändige Spielfreude allenthalben. Schräge Taktarten – wie 5/4 bei „I Told You So“ und sogar 11/4 bei „My People“ – werden mühelos bewältigt. Interessant: Viele der Lackner-Kompositionen weisen schlussendlich ein „fade out “ auf, „live“ ganz ohne Schieberegler im akustischen Nirwana-Nichts entschwindend.

Äußerst rücksichtsvoll und überaus aufmerksam mit von der Partie zeigte sich stets der smarte Polyrhythmiker Manu Katché, welcher werbende Vertragspartnerschaften in punkto Trommeln mit dem japanischen Yamaha-Konzern und hinsichtlich HiHat sowie Cymbals mit dem amerikanischen Hersteller Zildjian pflegt. Da leistete der Virtuose saubere Besenarbeit und traktierte subtil und luftig-leicht das edle Metall. Ein unbegleitetes Solo wurde ihm erst nach der Konzertpause bei „Hung Up On That Ghost“ zuteil. Hier konnte Katché den Drums mal derbe Dresche geben, was ihm einen euphorischen Zwischenapplaus einbrachte. Nichtsdestotrotz hat sich Katché längst einen klingenden Namen als sensibler Perkussionist aller Spielklassen erworben.

Ansonsten war dieses dynamisch breit angelegte Stück zunächst geprägt von einer lyrischen (und Dank rechtem Pedal sehr „nachhalltiger“) Einleitung auf dem Steinway. Sodann folgte ein wortloser Falsettgesang des meist stoisch ruhig mit dunklem Timbre im unteren Register blasenden Trompeters Mathias Eick. Zudem flinke intonationssichere Pizzicato-Aktionen des aus Frankreich stammenden Kontrabassisten Jérôme Regard, der ohne Bogen auf Streich-Einheiten völlig verzichtete.

Der geneigten Zuhörerschaft dürfte so manches „déjà vu“-Erlebnis widerfahren sein. Da tummelten sich die auch mit „blue notes“ nicht geizenden Jazzer auf der phrygischen Tonskala wandelnd im spanischen Flamenco-Flair, und etliche Phrasen erinnerten auffallend an Bach, Chopin, Satie, Debussy, Ravel oder Komeda. Genreübergreifend gestaltete Bandleader Lackner auch die zweite Zugabe: Mit bester klassischer Anschlagskultur huldigte der gewiefte Tastenmann solistisch seinem europäischen Erbe, ohne das obligatorische Jazz-Feeling zu vernachlässigen. Wieder eine gelungene Veranstaltung von Jazzclub und Kulturbüro Schwäbisch Hall. Man darf sich schon auf das nächste gemeinsame Jazz-Art-Festival Ende März 2023 freuen…

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