Auf jeden Fall preiswürdig: Herbert Joos

Joos / Olschewski - Foto: KumpfText und Fotografien: Hans Kumpf

Der Trompeter wurde für sein Lebenswerk vom
Land Baden-Württemberg geehrt

„Der Amerikanismus erdrückt uns. Einen guten Job kriegt man gerade, wenn mal eine einigermaßen gute Platte herausgekommen ist – und dann haben die Konzertveranstalter wieder ihre Schuldigkeit getan. Die Amerikaner werden von Festival zu Festival gereicht, und wenn du irgendwo zweimal spielen willst, dann heißt es: Es geht nicht, das können wir nicht machen.“ Das waren vor vier Jahrzehnten die immer noch gültigen frustrierten Worte des Flügelhornisten und Komponisten Herbert Joos. Mit seinem niveauvollen und subtilen Avantgarde-Jazz, der für manche Gemüter schon zu viel der „abstrakten“ zeitgenössischen Musik in sich birgt, hatte es Joos auf der Szene ohnehin schwer – auf einer Szene, wo amerikanische Nationalität und (schwarze) Hautfarbe allzu häufig ungeprüft schon als Qualitätsmerkmal gelten.

Joos wurde am 21. März 1940 in Karlsruhe geboren, und im „Modern Jazz Quintett Karlsruhe“, das eine stilistische Wendung vom Westcoast-Jazz bis zum Free Jazz unternahm, machte er sich in den 1960er Jahren einen Namen – wenigstens bei den Insidern. Als der Bassist die Gruppe verließ, da waren es nur noch vier: „Fourmenonly“. Später beteiligte sich Joos an vielerlei Projekten, besonders in Österreich – markant dabei das „Vienna Art Orchestra“ von Matthias Rüegg.

Es bleibt das Typische an der Instrumentenbehandlung von Joos: Eine präzise Artikulation, keine Spur von Schlamperei und „Herunternudeln“, eine weiche Tongebung – kein Trompeter der mit einem vordergründigen strahlenden Glanz seine Show abzieht. Herbert Joos ist genaugenommen kein „Trompeter“ im engeren Sinn: Als sein Hauptinstrument gilt das ohnehin „schmiegsamere“ Flügelhorn.

Herbert Joos liebt das Detail, das Feingesponnene, das Nuancierte. Dies zeigt sich nicht nur bei seinen Kompositionen und seinem Spiel – dies lässt sich auch ersehen aus seinen Grafiken, die er im Nebenberuf erstellt. Feingestrichelt portraitiert er da besonders gerne Jazzkollegen. Und seine schriftlich fixierten Kompositionen haben einen ausgesprochenen grafischen Reiz.

1984 wurde Herbert Joos mit dem Südwestfunk-Preis ausgezeichnet, nun im Januar 2010 überreichte ihm die neue Kunststaatssekretärin Petra Olschowski im Stuttgarter Theaterhaus den mit 10.000 Euro dotierten Sonderpreis für sein Lebenswerk. „Mit Herbert Joos ehren wir einen Meister des Schönen, des Atmosphärischen, des Erzählens, der feinen Melancholie, aber auch der menschlichen Fragilität. Seine Kompositionen zeichnen sich durch eine ganz eigene Magie und einen besonderen Klang, einen unverkennbaren, warmen, sinnlichen und vielfältigen Ton aus“, erklärte die Politikerin.

Die gewitzte Laudatio hielt der TV-populäre Sterne-Koch und Hobby-Blechbläser Vincent Klink, der ja eine enge Bindung zum Jazz unterhält – Klink und Joos haben seit vielen Jahren den gleichen Spielpartner am Piano, nämlich Patrick Bebelaar. „Seine Musik ist das Gegenteil von Beiläufigkeit“, lobte der bodenständige Gourmet.

Joos 3 - Foto: Kumpf

Musikalisch präsentierte sich Joos in Trio-Besetzung. Dabei der virtuose Patrick Bebelaar, der erfahrene Günter Lenz am Kontrabass und Herbert Joos, der sich noch als heißblütiger Scat-Man erwies. Doch bei all den furiosen Attacken blieb auch genügend Raum für die Stille nach dem in einem Portraitfilm geäußerten Glaubenssatz von Herbert Joos „Die Pausen sind das Wichtigste in der Musik“.

Nach der Konzertpause ging es im vollbesetzten Saal T1 des Stuttgarter Theaterhaus weiter mit einem speziell formierten 16-köpfigen Orchester von Herbert Joos, mit dem er nicht mit Klangpracht geizte. Schlagzeug (Patrice Heral, Mario Gonzi), Kontrabass (Heiri Känzig, Achim Tang) und Tuba (Michel Godard, Jon Sass) waren doppelt besetzt. Seine Mittrompeter (Claus Löhr, Stephan Zimmermann, Tobias Weidinger) ließen es ordentlich fetzen, während Joos selbst oft nur mit bloßer Luft arbeitete. Ihre individuellen Kreativitäten konnten auch die Saxophonisten (Wolfgang Pusching, Clemens Salesny, Harry Sokal, Gavino Murgia) demonstrieren – genauso wie die Posaunisten Christian Radovan und Eberhard Budziat. Ein abwechslungsreiches Stück, zupackend und schön, fulminant und melancholisch. Nicht ohne Grund nannte Joos seine „Patchwork-Komposition“ vieldeutend „Change of Beauty“.

Der Südwestrundfunk war mit hochwertigen Studio-Kameras vor Ort und übertrug das Spektakel per Live-Stream im Internet. Zu hoffen bleibt, dass die Aufzeichnung noch im TV und auf DVD ausgewertet wird. Jedenfalls erfolgt auf SWR2 am 21. März 2017 um 22.03 Uhr punktgenau zum 77. Geburtstag von Herbert Joos hörfunkmäßig die Wiedergabe des Mitschnitts.

Theaterhaus-Leiter Werner Schretzmeier sprach dem Publikum aus dem Herzen: Er dankte dem vormaligen Kunststaatssekretär Jürgen Walter für die „Erfindung“ vom „Jazzpreis Baden-Württemberg – Sonderpreis für das Lebenswerk“, den zuvor Eberhard Weber und Wolfgang Dauner zuerkannt bekommen hatten. Die aktuelle Landesregierung bat er, „diese fantastische Idee“ weiterzuführen.

 

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Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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