Als Solist weltweit ein Musiksammler
Stephan Micus hat mit seiner meditativen Musik für das Label ECM schon zahlreiche CDs produziert. Seine live-Auftritte in Deutschland bleiben aber rar. 1953 in Stuttgart geboren, in München aufgewachsen und seit vier Jahrzehnten ein musikalischer Weltbürger: Stephan Micus fand beim Schwäbisch Haller Jazz-Art-Fetsival zwischen Soundcheck und Konzert noch etwas Zeit für ein Interview.
Wie kamen Sie zur außereuropäischen Musik?
Dies ging von bestimmten Erlebnissen aus, die ich hatte. Ich hörte Schallplatten oder ging in Konzerte, die mir so gefallen haben, dass ich beschlossen habe, in diese Länder zu reisen und die Instrumente zu lernen. Es war immer derselbe Anlass – das Hören und die Faszination dieser Instrumente.
Gleich nach dem Abitur gingen Sie nach Indien. Welche Lehrmeister hatten Sie dort?
Ich bin einfach dorthin gefahren und ging in Neu Delhi in eine Musikhochschule. Aber ich fragte nach einem Lehrer in einer kleineren Stadt – ich bin nicht Großstadt-Fan. Man riet mir dann zu Benares, das war auch ein toller Platz
Sie haben also nicht bei Ravi Shankar gelernt wie George Harrison von den Beatles…
Ich habe Ravi Shankar kurz zuvor noch in München in seinem Hotel besucht. Er war ein großer Star in der Zeit. Es hat keinen Sinn, mit solchen Leuten zu lernen. Gute Musiker sind nicht unbedingt gute Lehrer.
Welche Länder haben Sie besonders beeindruckt?
Schon Indien und Japan, kann man sagen.
Was war in Afrika interessant?
Die Kalimba hat mich beeindruckt, die gibt es in Ostafrika und auch in Südostafrika. Und dann noch die Harfen, die mehr in Westafrika sind. Und dann bei meiner letzten CD „Nomad Songs“ aus Marokko die Genbri, die eigentlich mit den Sklaven aus Schwarzafrika kam.
Wie verdienen Sie Ihr Geld?
Schwer! Mit CDs, manchmal wird meine Musik bei Filmen eingesetzt, früher öfters auch für Tanzsachen. Ab und zu ein Konzert…
Haben Sie Kontakt zur esoterischen Szene?
Eigentlich nicht. Ich habe mich da immer abgetrennt…
… und sind dort musikalisch also nicht missbraucht worden…
Ich habe da immer aufgepasst.
Inwieweit kooperieren Sie mit anderen Musikern aus außereuropäischen Ländern?
Ich spiele im Prinzip immer alleine. Ich mache auch die CD-Einspielungen alleine – im Studio mit Mehrspurtechnik, die die Instrumente übereinander legt. Ich arbeite ganz selten mit anderen Musikern zusammen.
Welches ist Ihr Lieblingsinstrument in Ihrem reichhaltigen Arsenal?
Das ist schwierig zu beantworten – wie wenn man nach dem Lieblingskind fragen würde. Flöten sind für mich schon sehr wichtig.
In Schwäbisch Hall haben Sie nur kleine Instrumente dabei, die alle in einen Alu-Reisekoffer passen. Setzen Sie nur im Studio größere Instrumente ein?
Ich habe sehr viele große Instrumente, aber es ist leider schwierig, diese zu transportieren. Die Situation mit den Fluglinien wird jedes Jahr schwieriger, sodass man sich im Prinzip auf kleinere Instrumente beschränken muss, es sei denn, es ist ein ausreichendes Budget da.
Was war Ihr Lieblingsland, das Sie besuchten? Wo würden Sie im Alter gerne wohnen?
Das kann ich wirklich nicht sagen. Es gibt so viele fantastische Plätze auf der Welt. Die kann man auch nicht unbedingt vergleichen. Da wirklich eines herauszupicken, ist unmöglich.
Sind Sie jeweils froh, wenn Sie wieder nach Deutschland zurück kommen?
Na klar. Im Voralpenland und in den Alpen ist mein Zuhause.
Derzeit gibt es auf der ganzen Welt eine Menge nationalistischer Bestrebungen. Wie fühlen Sie sich da als musikalischer Kosmopolit?
Ich mische mich da nicht ein. Öffentlich möchte ich mich über Politik nicht äußern, weil dies nicht mein Gebiet ist. Mir sind sicher Länder lieber, wo keine Beschränkungen von den Regierungen sind, wo die Leute machen und reden können, was sie wollen. Dies ist mit Sicherheit die ideale Situation.
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