Mit einer kurzen deutsch-norwegischen Begrüßung der Gäste durch den Festival-Leiter Rainer Kern mit einer netten norwegischen (?) Dame im Schlepptau begann das „4. Enjoy Jazz – Festival für Jazz und Anderes“ am 5.10.2002. In den Wochen bis zum 17.11. präsentiert „Enjoy Jazz“ ein weitgefächtertes Programm.
Dieses Jahr sind die Spielstätten nicht nur auf Heidelberg und Mannheim beschränkt – Ludwigshafen ist mit einigen Konzerten mit im Boot und das Festival wird damit zu einer Veranstaltung der Kulturregion Rhein-Neckar – sicherlich auch ein Beitrag zur wirtschaftlichen Sicherung der Veranstaltung für die kommenden Jahre.
Dem in den Liner Notes des Programmhefts formulierten Satz „…Freude an den musikalischen Beiträgen und die Freude, einige der besten Musiker und Musikerinnen dieses Planeten in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen …begrüßen zu können“ kann man sich mit Vorfreude schon in diesem Jahr anschließen.
„Festival für Jazz und Anderes“ – ist der im Titel der Veranstaltung formulierte programmatische Anspruch.
Mit dem ersten Konzert begaben sich die Veranstalter flugs auf die „andere Seite“: Mari Boine gehört in die Kategorie Weltmusik, vielleicht darf man auch Ethno-Pop sagen.
Eine gute Idee der Macher, ist die Musikerin in Heidelberg doch schon mit großem Erfolg in den Vorjahren aufgetreten. Ein prächtig gefüllter Karlstorbahnhof zum Auftakt des Festivals war die erwünschte Folge.
Die Norwegerin Mari Boine ist eine „Halb-Sami“, also eine Vertreterin der „Sumpfmenschen“, die in verschiedenen Ländern Nordeuropas beheimatet sind. Deren Kultur und vor allem natürlich Musiktradition weiterzutragen ist der Anspruch von Mari Boine. Die einschlägigen Tänzerinnen und Tänzer vor der Bühne, sogleich von ihrer Musik gebannt, verfallen schlagartig in tiefe Trance und beginnen mehr oder weniger anmutig zu tanzen.
Zwar versteht kaum einer die Texte aber Mari Boine kündigt ihre Lieder auch in Englisch an und umreisst damit in etwa die Thematik des folgenden Songs. Mystische Themen über ungeborene Kinder, rituelle Tänze – an passender Stelle auch einmal optisch mit einem Tänzchen der Sängerin und Trockeneis-Nebel garniert.
Jeder merkt, daß er ganz dicht dran ist am Ursprünglichen, an Mutter Erde, an der Welt der „Sumpfmenschen“. Da stört es kaum, daß die Naturnähe auch mit dem Apple-Computer auf der Bühne erzeugt wird, und daß die erzeugten Klänge ein wenig beliebig sind. Ethno, na klar – aber wer könnte ohne Vorwissen tatsächlich die Musik Mari Boines den Sami zuordnen. Etwas beliebig muss ethnisch geprägte Musik aber vermutlich sein, wenn sie ein breiteres Publikum erreichen soll.
Mystische Musik mit rituellem Charakter, eine charismatische Sängerin, langgezogene Themen unterlegt mit suggestiven Basslinien – das ist die Mixtur mit der die Gruppe ihr Publikum erreicht. Mari Boine und ihre Mitmusiker zelebrieren das auf höchstem Niveau. Nachteil dieser rituellen Musik ist, daß sie nach einer gewissen Zeit ein wenig eintönig wirkt – wenn der Zuhörer nicht Teil des Rituals ist.
Vielleicht hat sich aber auch einfach nur ein „klassischer Jazzer“ ins Konzert verirrt, der an diesem Abend nicht so recht von der Musik gefangen wird…und der sich auf die kommenden Wochen freut, die vieles versprechen…