Ein Gespräch mit Raimund Knösche, Jazzarchitekt und Festivalchef des Festivals Just Music – Beyond Jazz. Die Ausgabe 2016 findet am 26. und 27. Februar statt.
…weil es etwas riskiert!
Wirft man einen ersten Blick auf das diesjährige Just Music Beyond Jazz Programm, könnte man den Eindruck gewinnen, Co-Festivalmacher Uwe Oberg – Pianist – habe einen besonderen Einfluss auf die Programmgestaltung genommen habe. Zufall oder Strategie, dass ungewöhnlich viele Pianistinnen und Pianisten im Programm sind?
Das sieht nur so aus. Der Pianoschwerpunkt ist ebenso ein zufälliges Ergebnis, wie der „Wiener“. Ich meine es spielt überhaupt keine Rolle, wer da wieviel Anteile an der Auswahl hat. Fakt ist: die Auswahl unterlag keinem Gestaltungsprinzip mit irgendeiner vorher festgelegten Ausrichtung. Ein weiterer, erkennbarer Schwerpunkt könnte in diesem Jahr sein: „eher ein Festival der ruhigen Töne“ – was wir auch erst im Nachhinein festgestellt haben…
Aber ihr müsst schon darauf achten, dass es eine gewisse Abwechslung im Programm gibt?
Naja, was heißt wir müssen… wir müssen nichts, wir wollen! Und Unterschiedlichkeit ließe sich ja selbst innerhalb derselben Formate beispielsweise im PianoTrio finden, und davon – als Königsdisziplin – gibt es mit Alexander Hawkins nur ein einziges. Es dürfte sehr spannend werden wie unterschiedlich die jeweiligen Pianisten ihr Instrument zum klingen bringen. Andersherum: Der Fokus auf das Piano zeigt die Bandbreite des Jazz and beyond gestochen scharf und deutlich, da die verschiedensten Sounds immer am selben Instrument erzeugt werden.
Da habt ihr mit Eve Risser eine junge Pianistin am Start, die ungewöhnliche Töne aus dem Flügel hervorzaubert
…und zwar auf eine derart fesselnde Weise, die die Entscheidung für sie leicht gemacht hat. Hier mussten wir nicht lange abwägen.
Bei der Programmierung unterliegt man als Veranstalter gewissen Konflikten – abgesehen davon, dass „alle nur spielen wollen“: seid ihr zufrieden mit der Balance zwischen Wunsch, Angebot und letztendlichem Line-Up?
Ja, sogar sehr. Wir freuen uns, dass wir uns inzwischen in die Lage versetzt sehen, dass ein interessiertes Publikum zusammenströmt ohne die auftretenden Musiker und Musikerinnen zu kennen, aber in der Gewissheit hoch interessante und inspirierende Konzerte erleben zu können. Prämisse: Immer zuerst die Musik, dann erst die damit verbundenen Namen der/die diese Musik produzierenden Musiker/-innen.
Klar gab es Vorstellungen und Ideen, die nicht Budgetkompatibel waren. Allerdings sind wir auch keine Träumer und suchen uns musikalische Acts zusammen, die dann auf einen Schlag unseren Etat auf Null schrumpfen lassen.
Unser Bestreben ist nach wie vor das zweitägige Festival so interessant wie möglich zu gestalten und das mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, die leider auch nach wie vor nicht mehr geworden sind. Und natürlich gilt es auch das Quentchen Glück gelegentlich zu haben, genau DIE band an den Start zu bringen, die gewünscht ist und der Tourplan das zulässt.
Und welche ist das in diesem Jahr?
Hm, genau diese eine Band hat es eigentlich gar nicht gegeben, wir waren von vorneherein am Gesamtpaket dran. Wir sind glücklich, dass wir genau dieses Line-Up so zusammenstellen konnten.
Uwe Oberg mit Silke Eberhard kennt man ja – und konnte man in einem mitreißendem Konzert im Rudersport Mitte vergangenen Jahres schon erleben – die Erweiterung zum Trio im Rahmen von Just Music ist eine Premiere, speziell für diesen Anlass zusammen gestellt?
Exakt, so ist das. Uwe und Silke hatten beide die Idee – nachdem der urspüngliche Wunschkandidat aus finanziellen Gründen nicht möglich war – Gerry Hemingway einzuladen, der auch sofort begeistert war und spontan zusagte.
Vom Duo ist dieser Tage die CD bei Leo Records erschienen, im vergangenen Jahr wurde „Rope“ bei Jazz Music aufgezeichnet – da könnte man auf den Gedanken kommen, das Trio auch auf einer Live-CD zu verewigen…
Wenn sich ein veröffentlichungsfreudiger Produzent zeigt , warum nicht? Mitgeschnitten wird das Konzert sicherlich.
Gute Aufnahmen können entstehen, wenn der Rundfunk mit von der Partie ist. Wie sieht es in diesem Jahr aus?
Können, müssen aber nicht… Nein, der hessische Rundfunk wird nicht live dabei sein, wird aber zum Beispiel am 24.02. um 22.30 h auf hr2-kultur eine Sendung über Alexander Hawkins ausstrahlen, die seine Musik und wie er sich als Musiker versteht, erklärt: „Wenn sich Art Tatum und Cecil Taylor treffen: Alexander Hawkins befeuert Piano und “Just Music“ in Wiesbaden Musik und Moderation: Claus Gnichwitz“
Die „Wiener“ hast Du bereits erwähnt. Die Jazzwerkstatt Wien gehört zu den aktivsten in der europäischen Jazzszene und ist dafür erstaunlich wenig auf deutschen Bühnen präsent. Jetzt bei Just Music aber mit dem New Ensemble auch nicht gerade leichte Kost…
Möglicherweise haben andere da Berührungsängste?! Das Wiener New Ensemble siedelt sich für viele Veranstalterinnen und Veranstalter möglicherweise ja zu nahe an der Neuen Musik an, was dann scheinbar gleichsam „anstrengend und zu intelektuell“ bedeutet und (richtigerweise) an verschiedenen Stellen kein Jazz mehr ist. Das Ensemble stellt sich selbst trefflich so dar: „…doch nehmen die kompositorischen Bahnen von Daniel Rieglers „Sympathikus – Parasympathikus“ durch den spontanen Erfindungsgeist der sechs MusikerInnen unerwartete improvisatorische Wendungen. Es ist ein Programm der Gegensätze.“
Das ist höchst spannend anzuhören und genau dies macht Just Music aus, denn das Festival lebt von eben jenen Gegensätzen und Herausforderungen auch an das Publikum. Das wiederum, glaube ich, liebt Just Music inzwischen auch dafür, weil es so unberechenbar ist, die musikalische Entwicklung vorher nicht so recht absehbar ist, wo unbekannte Namen auftauchen und trotzdem mit großer Wahrscheinlichkeit Musikimpressionen mit nach Hause genommen werden, die schlicht unvergesslich sind, weil einzigartig und besonders.
In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass Just Music fein ausbalanciert Deutsche Jazzmusiker und vor allem Europäer auf die Bühne bringt. Aus welchen Ländern kommen aus Deiner Sicht derzeit die interessantesten Musiker?
Das ist eine nicht wirklich eindeutig zu beantwortende Frage… aus meiner Sicht pulsiert die deutsche Szene sehr und geht ganz unterschiedliche Wege und in Berlin „verinternationalisiert“ sie sich sogar zusehends. Mir persönlich fällt auf, dass im Alpenraum sehr reger Betrieb herrscht.
Auch dort bist Du selbst als Scout unterwegs, auf Festivals aber auch in Norddeutschland bei der Jazzahead – ist die aktive Suche nach Künstlern wichtiger – oder vielleicht auch einfach spaßiger – als sich zuhause durch Bewerbungs-CD-Kisten zu wühlen?
Eine Band oder eine/n Musikerin/Musiker live auf der Bühne zu erleben ist durch nichts zu ersetzen! Und, JA, da ist auch viel Spaß dabei.
Natürlich ergänzen CD-Stapel – die sich schon anhäufen – live gehörte Eindrücke und erleichtern Entscheidungen eine Auswahl zu treffen, aber diesen persönlichen Kontakt im Vorfeld herzustellen, spielt durchaus eine tragende Rolle auch im Hinblick auf Vernetzung in der Szene.
Wenn ich nicht Veranstalter von Just Music wäre, wäre dieses Festival auf jeden Fall eines, wo ich als interessierter Zuhörer ohne lange überlegen zu müssen, hinführe, weil es etwas riskiert!
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