Geiselhart / Koller / Thaler kreierten in Schwäbisch Hall originelle Musik

Liebliche Sounds, Elektronik inklusive

Eigentlich gilt der Posaunist Markus Geiselhart als Spezialist für Großgruppierungen. Enormes Aufsehen erregte sein ausgefeiltes Projekt, welches er dem allzu früh verstorbenen Amerikaner Don Ellis (1934 – 1978), Protagonist der Vierteltontrompete und von komplizierten Metren, widmete.

Der 1977 in Stuttgart am Nesenbach geborene Musiker hat sich, nach seinem Studium in Würzburg, nun Wien an der schönen blauen Donau zur neuen Wohn- und Wirkungsstätte auserkoren, wo der Jazzorchesterchef an der Musik-Universität kompetent Big-Band-Leitung unterrichtet. Die Bühne der – von ihm sehr bewunderten – Hospitalkirche in Schwäbisch Hall bot und bietet aber Aktionsraum eigentlich nur für kleinere Formationen. So engagierten der örtliche Jazzclub und das städtische Kulturbüro Geiselhart mit einer schlagzeuglosen Minibesetzung: Gitarrist Martin Koller und Kontrabassist Stefan Thaler sind autochthone Österreicher. Die diversen Elektroapparate benötigten schließlich auch noch Platz.

In der ersten Konzerthälfte zelebrierte das Trio – bis auf die knallige Komposition „You Dig It“ des berühmten belgischen Arrangeurs Francy Boland (1929 – 2005) – ausschließlich Werke aus eigener Feder von weitgehend friedlichem und lieblichem Charakter, ohne im Kitsch zu versumpfen. Dissonant Clusterhaftes und Mikrotonales wurden dabei nicht verschmäht, feindosiert die Dynamik.

Schon bei der unbegleiteten Introduktion des gemeinschaftlich konzipierten Openers „Bild Nr. 1“ erinnerte Markus Geiselhart rein klanglich an Albert Mangelsdorff (1928 – 2005): Der hessische Posaunenweltmeister konzertierte mit seinem Quintett an gleicher Stelle unter Barockengeln und Aposteln genau 50 Jahre zuvor, nämlich am 14. Januar 1968. Auch Geiselhart praktiziert gerne ausgiebig multiphone Interferenztöne, die durch gleichzeitiges Blasen und Singen ins Instrument erzeugt werden. Dazu handhabte er noch einen aus dunkelrotem Gummimaterial bestehenden Plunger-Dämpfer, sozusagen einen Abflussstampfer ohne Stiel. Dies alles birgt künstlerischen Stil. Durch elektrotechnische Tricks kann Geiselhart aktuell noch eine höhere Oktave hinzusetzen, wobei der ursprüngliche Naturklang der Posaune durch das in den Schalltrichter gestopfte moderne japanische „Silent Brass“-System quasi unhörbar wird (übrigens eine gutnachbarschaftliche Empfehlung für lautstarke Hausmusiker…).
Mit „Ant Steps On An Elephant’s Toy“ integriert Geiselhart eine originale Mangelsdorff-Komposition in seine Repertoire. Doch Geiselhart/Koller/Thaler begnügen sich keinesfalls als imitatorische Cover-Band. Das perfektionierte Dreier-Team drückt „fremden“ Titel seinen ganz eigenen individuellen Stempel auf – akustisch und elektronisch Generiertes verschmelzen hierbei zu einer Einheit. Gehörigen Anteil dabei hat Martin Koller mit seinen mittels Pedalen angesteuerten Effektgeräten. So vermag er eine Soloimprovisation auf seinem Gitarrenbrett der Marke „Ibanez“ auch mal im Sound einer indischen Sitar zu gestalten oder zuweilen popmusikalisch quengeln. Prall Akkordisches und herausgepickte „single note“-Technik wechseln einander ab.

Zupfend, schlagend und mit dem Bogen streichend bildet Stefan Thaler am korpulenten Bass sozusagen einen ruhigen Mittelpunkt, kann aber auch – hinter dem Steg agierend – neutönerisch wie Donaueschingen und die dortigen Tieftonsaitenvirtuosen Fernando Grillo und Wolfgang Güttler ganz unorthodox geräuschhaft klingen.

Aus „In A Silent Way“ des österreichischen „Weather Report“-Keyboarders Joe Zawinul (1932 – 2007) entwickelt Geiselhart mit seinen beiden Mitstreitern eine stimmungsvolle Hochgebirgsmusik: Verhallendes Alphorngebläse samt Naturtonreihe lassen grüßen. Nicht minder eigenständig verfährt das Ensemble mit dem besinnlich flehenden Titel „Peace“ des gefeierten Hard-Bop-Veteranen Horace Silver (1928 – 2014).

Allenthalben ein Lob der Langsamkeit nebst Zentraltönigkeit als harmonischem Anker, doch die fällige Zugabe „Bild Nr. 2“ wartete dann rasant mit Rockrhythmischem auf. Auch wenn an dem kurzweiligen Konzertabend etliche markante Stücke verstorbener Jazz-Heroen vereinnahmt wurden – die Neu-Interpretationen verströmten ihren ganz besonderen Reiz.

 

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Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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