STUTTGART. Explosiv und furios erlebte man auch in Stuttgart die Dee Dee Bridgewater. Die Vokalistin absolvierte das Finale der Saison 2001/02 von den durch Deutschland tourenden „JazzNights“ mit Bravour. Als die Amerikanerin aus Paris 1999 bei den „JazzOpen“ zusammen mit dem Vibrafonisten Lionel Hampton auftrat, bremste sie sich als wahre „grande dame“ enorm, um den im Zeitlupentempo klöppelnden Uraltmeister nicht total bloßzustellen. Zwei Jahre später konnte die 1950 in Memphis/Tennessee geborene Künstlerin dann ungehemmt aufdrehen und in der Liederhalle die hochgepushte Jane Monheit, die im gleichen Konzert präsentiert wurde, deutlich deklassieren. Und erst recht Power-Paroli bietet sie als elektrisierendes Energiebündel nach wie vor den kommerziell bestens vermarkteten Sangeskolleginnen Cassandra Wilson und Diana Krall.
Nun hat sich Dee Dee Bridgewater in ihrer ganz subjektiven Art den Bert-Brecht-Komponisten Kurt Weill angenommen, der ja stets populärer war als der klassenkämpferische Brecht-Tonsetzer Hanns Eisler. In seinem erzwungenen USA-Exil ab 1933 kooperierte Weill (1900 – 1950) kräftig mit Hollywood. Der Jazz – und da besonders Louis Armstrong – adaptierte als beliebteste Weill-Weise den Song vom vergnüglich mordenden Mackie Messer aus der Dreigroschenoper. In der Version von Dee Dee Bridgewater geriet „Mack The Knife“ zur clownesken Comic-Nummer, wobei sie goßteils mädchenhaft und auch wie die Königin der Nacht sang, aber keine neuen Text-Gags einfließen ließ. Nach Evergreens wie „September Song“, „Speak Low“, „Lost In The Stars“ und „My Ship“ brachte die temeperamentvolle wie intonationssichere Vokalistin im Beethovensaal schlussendlich den „Alabama Song“. Vor über drei Jahrzehnten konnte man dieses Lied bei „Mahagonny“ in der nahen Württembergischen Staatsoper von der Sopranistin Anja Silja ordentlich und gediegen interpretiert hören – voller Verruchtheit und leidenschaftlicher Intensität zelebrierte nun Dee Dee Bridgewater die verzweifelte Suche nach “ the next Whiskey-Bar“. Auf dem Weg dorthin zitierte die Band noch kurz Benny Golsons „Blues March“, um wieder bei Kurt Weill zu landen.
Aus Zufall, so erklärte Dee Dee Bridgwater in einem Interview, sei sie im polnischen Wroclaw/Breslau bei einer Weill-Gedenkveranstaltung auf den versierten Theaterkomponisten gestoßen. Und sie genieße es, sich als Vokalistin richtig inszenieren zu können.
Vom Begleitoktett stachen am besten der Gitarrist Louis Weinsberg, der sich wiederholt mit seiner Bandchefin reizvolle Duos lieferte, und der gewitzte Keyboarder Thiery Eliez mit Hammondorgel-Sound heraus. Sämtliche meist sehr transparente Jazz-Arrangements stammten übrigens von dem hier nicht mit-trompetenden Ex-Ehemann Cecil Bridgewater („my first husband“). Die gewisse Sprödigkeit vom Original-Weill wurde da in swingende Glätte und jazzerische Intensität transformiert.
Den Abend im Beethovensaal des Stuttgarter Kultur- und Kongresszentrums Liederhalle hatte der singende Gitarrist Terry Callier im eingespielten Trio mit dem Bassgitarristen Eric Hochberg und dem Perkussionisten Penn McGee relativ sanft und meditativ begonnen. Der der coole Chicago-Mann kam musikalisch freundlich, fröhlich und friedlich daher und sein Anliegen war „Peace – Freedom – Justice“. Klare Bezüge zur Bürgerrechts- und Folklore-Bewegung der 60er Jahre, aber auch viel Jazz-Feeling samt Scat-Improvisationen. Nett geriet der Hit „Nature Boy“ im fugativ-harmonischen Vokalduett mit dem meist die Congas traktierenden McGee, während Hochberg elastisch die meisten Soli zupfte.
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen