Feiert am 6. April seinen 85. Geburtstag: Manfred Schoof

Manfred Schoof wurde am 6. April 1936 in Magdeburg geboren. In Köln stieg der inzwischen weltweit geschätzte Künstler dann zu einem namhaften Jazz-Avantgardisten auf – als Trompeter, Komponist und Hochschulprofessor. Zu seinem 85. Geburtstag hat Hans Kumpf einen wahrhaft „historischen“ Text ausgegraben, der auf einem Anfang 1970 erstellten Sendemanuskript für den damaligen Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden basiert. Die freundschaftliche Verbundenheit zwischen Schoof und Kumpf währt inzwischen über ein halbes Jahrhundert lang….

Der Komponist Manfred Schoof – Plattendokumente aus den Jahren 1965-1969

Manfred Schoof ist der große Ro­mantiker unter den in Deutschland wirkenden Jazz-Avantgardisten. Trotz aller scheinbaren Aggressivität seiner Musik sind viele seiner Kompositionen und sehr oft auch Phrasen in seinen Improvisationen durchtränkt von An­klängen an die Musik der Romantik und des Mittelalters. Kirchentonskalen bilden oft die Basis für eine an alte Choräle erinnernde Schlichtheit. Als Musterbeispiel dafür kann das auf dem phrygischen Tongeschlecht auf­gebaute „Our Chant“ gelten, das Man­fred Schoof noch als Mitglied des Gunter Hampel Quintetts im Frühjahr 1965 für die SABA-Platte „Heart­plants“ aufgenommen hat. Schoof sagt über das im 5/4-Takt gehaltene „Our Chant“: „Die Soli – durch Fermaten voneinander getrennt – bilden in sich geschlossene Einheiten. Der Improvi­sationsraum geht vom Zentralton E – dem Grundton der Skala – bis zu entfernt liegenden polytonalen Moll­akkorden.“

Noch im selben Jahr trennten sich Manfred Schoof, Alexander von Schlippenbach und Buschi Niebergall von Gunter Hampel und vereinigten sich zusammen mit dem Saxophoni­sten Gerd Dudek und dem Schlagzeu­ger Jacky Liebezeit zum Manfred Schoof Quintett. Auf dem 10. Deut­schen Jazz Festival 1966 gelang der Schoof-Gruppe der große Durchbruch. Die Kritik sprach bald von der „kon­zertreifsten Free Jazz Band Deutsch­lands“ und von der „überzeugendsten Gruppe des sogenannten Free Jazz in Deutschland“. Bei den Donaueschin­ger Musiktagen 1967 wirkte Schoof nicht nur als Mitglied des Globe Unity Orchesters seines damaligen Quintett­-Pianisten Alexander von Schlippen­bach mit, sondern auch als Solist der Jazz-meets-India-Gruppe. Mit „Brigach und Ganges“ steuerte Schoof eine den Jazz und die indische Musik reiz­voll verbindende Komposition bei, die auf der MPS-Platte „Jazz meets India“ festgehalten wurde.

In Donaueschingen nahm die auf Neue Musik spezialisierte Plattenfirma Wergo Kontakt mit Manfred Schoof auf und gewann ihn für die erste Aus­gabe der Wergo Jazz-Reihe. Manfred Schoof verwendet bei zwei Titeln die­ser Schallplatte – bei „Gewisse kri­stallinische Gebilde“ und bei „Ca­denza“ – serielle Techniken. Das be­sondere Verhältnis zur seriellen Musik war ihm auf der Kölner Musikhoch­schule durch Bernd Alois Zimmer­mann vermittelt worden. Bei markan­ten Werken Zimmermanns trat Man­fred Schoof teils mit seiner Gruppe, teils als Solist hervor: bei der Oper „Die Soldaten“, bei der Hörspielmusik „Die Befristeten“, beim „Requiem für einen jungen Dichter“ und beim schwierigen Trompeten-Konzert, das um das Spiritual „Nobody knows the trouble I’ve seen“ kreist. In „Gewisse kristallinische Gebilde“ folgt nach einer von den Melodie-Instrumenten im Quint- bzw. im Sext-Abstand durch­laufenen Fünftonreihe ein Komplex, welcher den Musikern innerhalb von fünf Abschnitten eine genau festgeleg­te Anzahl nach Gutdünken zu spielen­der Töne vorschreibt. Das Stück be­nannte Schoof nach dem gleichnami­gen Gemälde von Paul Klee.

Als 1968 die German All Stars für eine Südamerika-Tournee des Goethe­-Institutes zusammengestellt wurden, war es eine Selbstverständlichkeit, Schoof als Trompeter zu verpflichten. Die Arbeit mit den German All Stars war jedoch für Schoof nicht die erste Begegnung mit Big Band Jazz. Schon als Schüler schrieb er Arrangements für Kurt Edelhagen sowie für Harald Banter und wurde später auch Mit­glied dieses Orchesters beim WDR. Des weiteren spielte Schoof in der in­zwischen aufgelösten Kenny Clarke-­Francy Boland Big Band und auch Woody Herman wollte ihn bekanntlich in sein Orchester nach Amerika holen. Eigens für die German All Stars kom­ponierte Schoof „Hornsalut“, den man auf der CBS-Doppelplatte der German All Stars, die live im „domicile“ in München aufgenommen wurde, hören kann. In den Einleitungstakten ent­steht durch aneinandergereihte Dur­-Quart-Sext-Akkorde eine choralartige Stimmung, der Melodieverlauf des Themas zeigt Tendenzen zu moll und phrygisch. Manfred Schoof kommt im vorbildlich gestalteten Solo nochmals auf die Kirchentonskalen zurück.

Ganz deutlich auf die Vergangen­heit bezogen ist ebenfalls – wie der Name schon sagt – „Past Time“. An die Bebop-Ära wird sowohl durch die bei Schoof sehr beliebte Unisono-­Koppelung der Instrumente, als auch durch kurze, gehetzte Motive erinnert. Satten Big Band Sound erreicht Man­fred Schoof dadurch, dass er in die Spannung einer großen Septime ein­gebettet eine von Sopran-Saxophon und teilweise noch zusätzlich von der Trompete vorgetragene, chromatische, bei der flatted fifth – der verminder­ten Quinte – beginnende, die Quinte und Quarte berührende Bewegung bringt. „Past Time“, das aus der von Alexander von Schlippenbach produ­zierten Platte der Living Music ent­halten ist, wird eingeleitet von einem Trompetensolo. Schoof bläst klein­intervallige Legato-Linien und eine Art Riffs, die eine nur geringfügig sich verändernde und deshalb Steigerung erzeugende Variation erfahren.

Dem Beispiel der Free-Jazz-Treffen des Südwestfunks folgend, veranstal­tete Radio Bremen im Juni 1969 ein ähnliches Meeting, bei dem Manfred Schoof die Gelegenheit ergriff, ein Or­chester zusammenzustellen, dessen Musiker aus fünf Ländern Europas ka­men. Schoof schrieb dafür eine Kom­position und betitelte diese sinniger­weise „European Echoes“. Drei Tech­niken bestimmen in erster Linie die genauer vorgeschriebenen Teile des Werkes: serielle Tonfolgen, graphisch notierte Strukturangaben und Riffs. Gegenüber „Globe Unity“ und „Sun“ von Alexander von Schlippenbach ist „European Echoes“ wesentlich ein­facher konzipiert, was einem organi­schen Spiel nur dienlich sein kann. Die Soli des Tenorsaxophonisten Gerd Dudek, des Trompeters Hugh Stein­metz und Manfred Schoofs sind durch Tutti-Einsätze voneinander getrennt. Bei der ersten Stelle schreibt Schoof einen genau bestimmten Ton vor, der von den Musikern in beliebigem Rhythmus und beliebiger Höhenlage gespielt werden kann. Zwischen den Soli der beiden Trompeter steht ein kurzer Fanfarenruf, kontrapunktisch dazu folgt ein an moll angelehnter Lauf. Wenn sich Schoof in den Soli immer wieder als versierter Höhen­trompeter entpuppt, so ist sein Spiel nie schreiend, sondern graziös und geschmeidig. Die Aufnahme kam dann auf einer Platte bei der Free Music Production in Berlin heraus.

Soweit ein kurzer Überblick auf einige Kompositionen Manfred Schoofs aus den Jahren 1965-1969, die auf Platte vorliegen. Der in Köln lebende Schoof hat sich inter­national zwar einen guten Namen als exzellenter Trompeter gemacht, doch finden seine Kompositionen leider nicht die Beachtung, die sie verdienen.

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