Ewig die „First Lady of Jazz”
New York. „Ich hörte im New Yorker Savoy Ballroom plötzlich eine Stimme, die mir kalte Schauer über den Rücken jagte. Ich rannte zum Podium, um herauszukriegen, wem diese Stimme gehört – und entdeckte ein reizend aussehendes dunkelhäutiges Mädchen, das ganz bescheiden dastand und derartig wahnsinnig sang.“ So beschrieb die Jazzpianistin Mary Lou Williams ihre erste Begegnung mit Ella Fitzgerald im Jahre 1936. Wenige Monate zuvor hatte die in einem Waisenhaus aufgewachsene Ella als 16-Jährige bei einem Amateurwettbewerb gewonnen. Eigentlich ging es da hauptsächlich ums Tanzen, jedoch wurde auch ihre Stimme getestet – und für phänomenal empfunden.
Nach diesem Erfolg kam Ella Fitzgerald unter die Fittiche des Bandleaders Chick Webb. Allerdings wurde sie im Orchester zunächst nur als Refrain-Sängerin eingesetzt. Erst später entdeckte Ella, dass sie mit ihrem klaren Vokalorgan und dem beachtlichen Tonumfang auch hervorragend Balladen vortragen konnte. Es ist lebenslang die Stärke von Ella Fitzgerald geblieben: Das Improvisieren von Melodien auf „sinnlosen“ Silben. Und dies vollführte „die Ella“ in einer Verschmitztheit und Beweglichkeit, dass sie auch als reife Dame wie ein vergnügter Teenager zu wirken vermochte. Erfindungsreichtum und Kreativität zeichnete sie, die wirklich den Begriff „Jazzsängerin“ verdient hat, aus. Da machte sie verblüffende Instrumental-Imitationen (geraume Zeit vor Al Jarreau, Bobby McFerrin und Andreas Schaerer!), bezog Geräusche ein und jonglierte gekonnt mit Zitaten bekannter Musikstücke; gesungen und gesprochen bereicherte sie alte Standards mit neuen und aktuellen Texten.
Rundum ist Ella also eine eigenständige Persönlichkeit gewesen, absolut unverwechselbar. Mit vielen Größen des Jazz konnte sie zusammenarbeiten: Louis Armstrong, Count Basie, Duke Ellington, Benny Goodman, Oscar Peterson. Anerkennung durch die (männlichen) Musikerkollegen bedeutete ihr viel. Gleichfalls war ihr der enge Kontakt zum Publikum wichtig.
Weder eine Augenkrankheit noch der stete Tournee-Stress hinderte am sie auch im eigentlichen Rentenalter daran, ihre ganze Kraft der Musik zu geben. In ihrem siebten Lebensjahrzehnt ging es der an Diabetes leidenden Jazz-Lady gesundheitlich immer schlechter. Ella Fitzgerald starb am 15. Juni 1996 im kalifornischen Beverley Hills. Geboren wurde die unvergessliche Künstlerin 79 Jahre zuvor am 25. April 1917 im amerikanischen Bundesstaat Virginia.
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen