Dizzy Gillespie wäre am 21. Oktober 100 Jahre geworden

Dizzy Gillespie - Foto: Hans Kumpf

Text und Fotografien: Hans Kumpf

Vor 100 Jahren wurde Dizzy Gillespie geboren: Trompeter mit Charme und Cleverness

1917 geriet für den Jazz in Amerika zu einem schließlich bedeutenden Jahr – fern des 1. Weltkriegs in Europa. Die erste Jazz-Schallplatte wurde aufgenommen (von der „Original Dixieland Jass Band“), und Ella Fitzgerald, Thelonious Monk, Buddy Rich sowie Dizzy Gillespie erblickten das Licht der Welt.

Den 1991 verstorbenen Miles Davis, der als Teenager bei Gillespie spielen durfte und später beim Cool Jazz und beim elektronifizierten Rock Jazz stilbildend wurde, hat der „stilistisch ältere“ Dizzy Gillespie um mehr als zwei Jahre überlebt. Doch der am 21. Oktober 1917 in Cheraw, South Carolina, geborene John Birks Gillespie machte um sich nie einen Starkult: Bei Konzerten und Festivals benahm er sich auch hinter der Bühne ganz normal und leutselig.

Seine rasanten Trompetenphrasen waren bereits in den 40er Jahren, als er zusammen mit dem Altsaxophonisten Charlie Parker und dem Pianisten Thelonious Monk den intellektuellen, harmonisch und rhythmisch raffinierten und im Tempo rasanten Bebop-Stil entwickelte, schwindelerregend – eben »dizzy«. Aus John Birks wurde Dizzy. Weltweit bekannte Markenzeichen des Virtuosen wurden der nach oben gebogene Schalltrichter seiner Trompete und seine bis zum Bersten aufgeblasenen Pustebacken.

Dizzy Gillespie - Foto: Hans Kumpf

Im Alter hatte Dizzy Gillespie gelegentlich Probleme mit seiner Lippen-, Zungen- und Fingerfertigkeit. Dann verlegte er sich lieber auf Conga-Getrommel, Gesang und müde Showmätzchen. Aber oft überraschte er dann mit enormer Vitalität und Fixigkeit. 1992 musste Dizzy Gillespie Festivalauftritte wegen Krankheit absagen, am 5. Januar 1993 erlag er in Englewood (Bundesstaat New Jersey) einem Krebsleiden.

Dizzy Gillespie wagte immer wieder neue Projekte, beispielsweise die Zusammenarbeit mit Miriam Makeba oder sein United Nation Orchestra. Eine Vorliebe für afro-kubanische Rhythmen hegte Gillespie schon lange, und Bewunderer von der Zuckerinsel, wie der Saxophonist Paquito D’Rivera und der Trompeter Arturo Sandoval, wirkten in dieser völkerverbindenden Band auch mit. Spieltechnisch hatte Sandoval sein Vorbild längst übertroffen, als er 1987 – für das ZDF zeichnete er im Stuttgarter Theaterhaus ein Ständchen zum 70. Geburtstag von Gillespie auf – mir erklärte: „Dizzy hat stets Überraschungen auf Lager, wenn er auftritt. Er versucht, die verschiedenen „funny notes“, wie er sie nennt, in den Harmonien zu finden. Er ist wie ein Gott darin. Ein Konzert mit ihm ist für mich wie eine Lektion. Ich höre ihm beim Musizieren immer ganz genau zu, denn er weiß alles über die Musik.“

Beim Konzertpublikum schmeichelte sich der Spaßvogel Gillespie durch charmante Ansagen ein – Clownerien gehörten bei ihm zum Business. In die politische Weltpresse katapultierte er sich, als er 1964 für das amerikanische Präsidentenamt kandidieren wollte. 1978 spielte er im Weißen Haus dem Ex-Erdnussfarmer Jimmy Carter seinen Bebop-Hit „Salt Peanuts“ vor, sein späterer Besuch bei Fidel Castro wurde in einem Kinofilm gewürdigt.

Dizzy Gillespie - Foto: Hans Kumpf

Zur bekanntesten Gillespie-Komposition wurde die „Night in Tunisia“, eine Ballade im orientalischen Flair. Bei keinem seiner Auftritte durfte die Interpretation dieses Stückes fehlen, und stets gewann der Altmeister diesem Erfolgstitel neue Nuancen ab, wenn er ihn mit einer vorwitzigen unbegleiteten Einleitung versah.

Gillespie war zu seiner Zeit eine »akademische Ausnahmeerscheinung«, da er bereits in den 1930er Jahren Harmonielehre und Musiktheorie studiert hatte. Mit Dizzy Gillespie verließ ein wirkliches Original, eine Vaterfigur des modernen Jazz, 1993 die Weltbühne. Als Trompeter nahm er die prägende Mittelstellung zwischen Louis Armstrong und Miles Davis ein. Seine künstlerische Persönlichkeit und seinen Humor bleiben unvergesslich. Erst recht an seinem 100. Geburtstag, den er auf Erden nicht mehr erleben kann.

 

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Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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