Das Trio der Pianistin Clara Vetter zelebrierte in der Haller Hospitalkirche einen coolen „Summer Jazz“

Dezente Musik, die atmet

Mit dem Solisten David Helbock wagten der Jazzclub und das Kulturbüro im Juni nach dem betrüblichen Corona-Lockdown wieder eine gemeinsame Veranstaltung. Fünf Wochen später saß nun unter Aposteln und Barockengeln die attivierte Newcomerin Clara Vetter am noblen Steinway. Eigentlich hätte sie bereits Mitte März bei einem „Jazz-Art-Plus“-Event auftreten sollen – aber damals musste sie wegen einer fiebrigen Erkrankung kurzfristig absagen (und nicht etwa wegen COVID-19).

Nun brachte die am 24. April 1996 in Baden-Baden geborene Künstlerin „nur“ ihr bewährtes Trio mit (und nicht noch als Gast den Saxofonisten Max Treutner, der ja als Bläser infektiöse Aerosole hätte versprühen können…). Den aus der Schillerstadt Marbach stammenden Bassisten Jakob Obleser lernte sie bereits im von Professor Bernd Konrad geleiteten Jugendjazzorchester des Landesmusikrats Baden-Württemberg kennen. Und als relativ neuer Schlagzeuger ist mittlerweile Lucas Klein (Furtwangen) dabei. Dieser darf sich als ein Bundessieger des renommierten Wettbewerbs „Jugend musiziert“ rühmen. Clara Vetter dagegen ist beim Contest „Jugend jazzt“ siegreich hervorgetreten. Die Dame an den Tasten dominiert eindeutig das nach ihr benannte Trio.

Alle drei Ensemble-Mitglieder sind – zumindest bei ihrem Haller Gastspiel – auf ihren Instrumenten sozusagen Puristen, total „unplugged“: Clara Vetter greift althergebracht in die Tasten und unterlässt es, das „vielsaitige“ Innenleben des Flügels direkt zu traktieren. Der ansonsten auch knackig die elektrische Bass-Gitarre bedienende Jakob Obleser beschränkt sich auf den wuchtigen Kontrabass, den er gekonnt zupft, aber nie mit einem Bogen streicht. Der geschmackvoll und sachte agierende Lucas Klein schließlich gibt sich mit dem konventionellen Drumset zufrieden, ohne etwa noch kleinere Perkussionsinstrumente hinzuzufügen.

Die von der kollegialen Band-Chefin gefertigten feinnervigen Kompositionen wurden überaus komplex gestaltet, sowohl harmonisch als auch metrisch-rhythmisch. Auffallend bleiben die vielen agogischen Parts: Das Tempo wird also nicht stur durchgezogen, sondern schwankt absichtlich – die Musik atmet merklich. Und hierin ist die Formation bestens aufeinander eingespielt. Der Gruppengeist und das kooperative Miteinander zählen, Fehlanzeige beim Thema exzentrische Solo-Eskapaden. Zwischen- oder Szenenapplaus wird nicht erwartet. Aber immer wieder finden sich Kontrabass und Schlagzeug zu gefühlvollen Duo-Aktionen zusammen.

Die diversen Titel der Trio-CD „Leading Impulse“ bestimmten nur am Rande das „JazzTime“-Konzert in der Hospitalkirche – etwa mit dem Titelstück samt seiner diffizilen variablen Metren und dem Tonträger-Opener „Kraut“, einer zierliche „Bagatelle“ im Fünfvierteltakt. Überwiegend wurden neuere Werke der akribischen Komponistin interpretiert und improvisatorisch ergänzt, so etwa „RMC Project“, das in C-Dur vertrackt zwischen 3/4-, 2/4-, 5/4- und 3/8-Takt changiert.

Romantizismen und Impressionismen in gediegener Lautstärke allenthalben, aber auch filigran Punktuelles. Clara Vetters verinnerlichtes Klassik-Knowhow ist am Klavier nicht zu überhören. Und sie kann Jazz…

Der mit Schwäbisch Hall aufs Engste verbundene Saxofonist Johannes Reinhuber, der mit der Pianistin 2013 die Big-Band-CD „Feeling Good“ eingespielt hat, berichtet euphorisch von der ersten gemeinsamen Probenphase mit ihr in Weikersheim: „Sie saß am Flügel, und Bernd Konrad legte Chick Coreas „Spain“ auf. Während des Stücks begann Clara zu solieren, und ich war sofort tief beeindruckt von ihrem Rhythmusgefühl und ihrer unglaublichen technischen Versiertheit. Ihr Spiel zog mich so in den Bann, dass ich natürlich meinen darauf folgenden Saxofoneinsatz verpasst habe. Seitdem habe ich mich immer besonders auf die Klaviersoli im LaJazzO gefreut.“

Und der emeritierte Jazz-Professor Bernd Konrad aus Konstanz weiß von einem swingenden Auslandseinsatz: „Mit Clara Vetter war ich 2014 in einem Septett auf Tour durch Malta. Das erste Konzert spielten wir in der Deutschen Botschaft, wo wir mit der damaligen maltesischen Präsidentin Marie Louise Coleiro Preca bekannt gemacht wurden“. 

Als Zugabe brachte Clara Vetter in der nach behördlichen Vorgaben locker bestuhlten Hospitalkirche eine eigenkomponierte Fassung einer „Nocturne“ zu Gehör. Eben ein „Nachtstück“, eine besonders langsame und leise Ballade für den Nachhauseweg des angetanen Publikums. Direkt von Frédéric Chopin hat sie ja das im Winter 1838/39 auf Mallorca entstandene „Regentropfen-Prélude“ übernommen und bearbeitet. Auf YouTube ist ihre live-Version dieser Nr. 15 aus op. 28 zu hören und zu sehen.

Dietmar Winter, Vorsitzender vom Haller Jazzclub, wies darauf hin, dass ab dem 17. September an drei Tagen der erste Teil von dem im Frühjahr ausgefallenen Jazz-Art-Festival nachgeholt werden soll. Die andere Hälfte ist dann für November terminiert. Winter wörtlich: „So ist unser Plan. Ob es klappt, wird sich`s zeigen“. Corona ist eben unberechenbar…

SO GESAGT

„Die Farbklänge der Beleuchtung waren nahezu kongenial zu manchen der gespielten Stücke.“

Martin-Ulrich Ehret, Maler, über die visuellen Effekte beim Konzert des Clara-Vetter-Trios.

Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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