Das „Pablo Held Trio“ in der Rüsselsheimer „Jazzfabrik“, 8. Dezember 2016

„Wir gehen offen und ohne abgesprochene Themen in das Konzert“, erklärt der erst 30-jährige Pablo Held zu Beginn des Konzertes in der Rüsselsheimer Jazzfabrik. „Keiner weiß, was sich wie im Laufe des Spiels entwickelt.“ So unterscheidet sich jede Live-Präsentation von der Vorhergehenden. Den drei Musikern gelingt es, spontan den Weg durch die Kompositionen aus immerhin zehn Jahren Trio-Existenz zu finden. Das funktioniert nur, weil die Partner mit schlafwandlerischer Sicherheit kommunizieren. Es entsteht eine Musik voller Überraschungen, die von zwingender innerer Logik zusammengehalten wird. Dennoch kann es bei der Fülle der Kompositionen nicht ausbleiben, dass der Bassist hin und wieder zu den Noten greift, um der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Denn die Kreativität des 2005 gegründeten Trios in der unveränderten Besetzung mit dem Bassisten Norbert Landfermann, dem Schlagzeuger Jonas Burgwinkel sowie dem Komponisten und Pianisten Pablo Held ist auf immerhin acht CDs mit durchschnittlich jeweils zehn Stücken dokumentiert.

Auf dem Flügel liegen die Noten von gut einem halben Dutzend Kompositionen: „Stubborn“, „Ammeda“, „Song noir“, „Birkenhahn“ oder „Pianoturbo“. Letztere dürfte wohl auch Bestandteil der beiden nahezu einstündigen Improvisationen gewesen sein, die das Pablo Held Trio beim Konzert im Rüsselsheimer Theater für die vielen interessierten Zuhörer spielt. Pablo Held formt mit der rechten Hand dichte Tontrauben und -Ketten, legt mit der Linken ostinate Bassfiguren oder Cluster und hämmert seine Akkorde in die Tasten, während Robert Landfermann auf dem Kontrabass die Noten aus den Saiten reißt, mit dem Bogen knarzend „schräge“ Harmonien streicht und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel die Trommeln und Becken pulsieren lässt.

Das Rüsselsheimer Konzert beginnt der Pianist, indem er ein paar Akkorde sanft auf den Tasten des Flügels tupft. Dann folgt ein langer Lauf von Single-Notes, während der Bassist auf dem mächtigen Instrument einige Harmonien zupft oder den Bogen knapp über dem Steg auf den Saiten hüpfen lässt. Währenddessen streichelt der Schlagzeuger leise die Felle mit den Besen. Später gewinnt das Trio-Spiel an Intensität, Kraft und Dynamik. Die Musiker steigern sich wie auch gegen Ende des Rüsselsheimer Konzertes fast zu einer Sound-Orgie, um diese dann doch getragen verklingen zu lassen.

Diese kontrastierende Spielweise durchzieht das gesamte Konzert. Den verqueren Pianoläufe mit den knallenden und harten Anschlägen, den trockenen Bass-Linien sowie der pulsierende Percussion auf Klangschalen und Rasseln folgen in extremen Dynamiksprüngen abrupte Rückfälle in lyrische und verträumte Passagen mit swingendem Schlagzeug. Burgwinkels Konzentration bricht sich mit kurzem und lustvollem Aufstöhnen Bahn.

In den zehn Jahren des Bestehens mit das Pablo Held-Trio eine originäre Klangsprache entwickelt, die gleichermaßen spannend und scheinbar unspektakulär ist. Es sind die Feinheiten des Zusammenspiels, die Interaktionen der drei gleichberechtigten Partner, die vom Zuhörer offene Ohren verlangen und die Sinne befriedigen. Das Pablo Held Trio belohnt sein begeistertes Publikum mit der Komposition „Sonjas Rumba“, in der der Pianist) die Handy-Nummer seiner Ehefrau in Töne der diatonischen Tonleiter umsetzte. „Diese Tonfolge taucht im Stück immer wieder in Mutationen auf“, erläutert der Komponist (der am 27. Dezember Geburtstag feiert).

| Mümpfers Jazznotizen

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