Zurück zu den Wurzeln. So perfektioniert Bley nach zurückliegenden Ausflügen in Rock und Free den leichter zugänglichen Mainstream-Jazz und erzielt, immer humorvoll mit irritierendem, unkonventionellem Spiel, hintersinnige musikalische Tiefe. Die beweist die Pianistin mit ihren Begleitern Steve Swallow am E-Bass und dem Briten Andy Sheppard mit Sopran- sowie Tenorsaxophon. Was immer sie auch anfasste, wirkte stilbildend – selbst diese Rückbesinnung, die sich bereits im April 2013 auf einer ECM-CD manifestierte und ihre gestalterische Unverwechselbarkeit belegte.
Einzigartig klingt auch heute noch die intime Kleingruppe bei ihrem Konzert „Trios“ in der Rüsselsheimer Jazzfabrik mit den unvirtuos-asketischen Akkorden Bleys, Swallows klangvoll ,,singendem“ Fünfsaiter und Sheppards beseeltem sowie seidenem Ton auf den Saxophonen. Wenn man unbedingt etwas kritisieren möchte, dann, dass diese höchst kunstvolle, gepflegte, melodiöse und klar strukturierte Musik eine Spur zu glatt ist.
„Ich bin eine Komponistin, die möglichst wenig der Eingebung des Jazzmusikers überlassen möchte“, erklärte Carla Bley einst. Das ist offensichtlich auch nicht notwendig, wenn drei Künstler gemeinsam musizieren, die eine zwanzigjährige Partnerschaft verbindet. Carla Bley und ihre Partner verstehen sich. Sie agieren wie eine verschworene Gemeinschaft mit einer traumhaft sicheren Kommunikation, die die Zuhörer beim Konzert im gut besetzten Rüsselsheimer Theater fasziniert. Nach lang anhaltendem Beifall werden die mit einer lyrischen und sanften Zugabe belohnt, die sich das vorangegangene Konzert mit seiner kammermusikalischen und leicht melancholischen Grundstimmung einfügt. Das ist ganz große Musik: intelligent, wohlüberlegt, wohldosiert, effizient, uneitel und perfekt.
Das Rüsselsheimer Konzert beginnt mit der dreiteiligen Suite „Wildlife“. Bley steuert dezent mit scheinbar tastenden Single-Notes am dem Flügel das Trio, während Swallow seine verzierenden, sonoren Bassfiguren auf dem fünfsaitigen Instrument zupft. Er spielt bewusst überlegend seine gitarrengleichen Melodien, setzt Akkorde zur Akzentuierung ein. Sheppard bläst zunächst je nach Stimmung mit dem Sopran- später mit dem Tenorsaxophon lange cantable Linien. Nur selten bricht er mit eruptiven Stakkati aus dem sanften Wohlklang von „Saint alive“ oder „Upside down“ aus. Zu den kreisenden Pianoakkorden Bleys haucht er nach einem kurzen schnellen Lauf ins Instrument, lässt gemeinsam mit den Partnern ein Finale im Saal verschweben. Die Pianistin pflegt den spartanischen und meist sperrigen Einsatz ihres Instruments, singt die nachfolgenden Harmonien leise vor sich hin.
Piano und Saxophon treffen sich an anderer Stelle in parallelen Linien und münden in Unisono-Passagen. Gleiches gilt für Bass und Flügel. Aufmerksam lauschen die Partner auf die Soli des jeweils anderen, um an passender Stelle zu kommentieren. Dies spricht für spontane Improvisationen, für die trotz der weitgehenden Notierung Platz freigehalten wird.
Um offensichtlich den Kollektivcharakter zu unterstreichen, sagte jeder Musikers Titel der nachfolgenden Suiten an, denn in dem Konzert erinnert die Komponistin an ihre Arbeit aus vielen Jahren, in denen sie zumeist mehrsätzige Werke geschrieben hat. Dass dabei die fast 80-jährige Pianistin verbal ins Stolpern gerät, verleiht dem Trio menschliche Züge.