Anna-Lena Schnabel in Schwäbisch Hall mit anspruchsvoller Musik

Und es hat „Plop“ gemacht

Im vorigen Jahr erfuhr Anna-Lena Schnabel breite Publicity, nachdem sie Mitte Juni bei der feierlichen Verleihung des Preises „Echo Jazz“ nicht eine eigene Komposition spielen durfte. Der Bundesverband Musikindustrie e.V. hatte die Saxophonistin für ihre bei dem Münchener Label „Enja“ erschienene Debüt-Platte „Books, Bottles & Bamboo“ in der Kategorie „Newcomer“ geehrt, und vor den NDR-TV-Kameras sollte sie nun den (auf der Scheibe interpretierten) triolischen Titel „Peace“ des Hard-Bop-Pianisten Horace Silver (1928-2014) vortragen. Große Aufregung in einer 3sat-Filmdokumentation, in Printorganen von „Die Zeit“ bis hinunter zur „Bild“ und sogar shitstürmisch in den so genannten sozialen Medien, wo der Jazz schließlich ansonsten nur ein Schattendasein fristet.

Bundesweit ein plötzlicher Aufschrei im Oktober 2017 – die Grundinformationen über die Malaise waren allerdings schon im September-Heft vom „Jazz Podium“ nachzulesen…

Einerseits sollte man meines Erachtens die kulturelle Bedeutung der Hamburger Schickimicki-Galaveranstaltung „Echo Jazz“ nicht überschätzen, andererseits weiß die eingefleischte Jazzgemeinde, dass bei einem qualifizierten Künstler eine kreative Cover-Version viel besser ausfallen kann als das ursprüngliche Original es je war. Welch ein grandioses Meisterwerk hat beispielsweise John Coltrane auf dem Sopransax aus dem schnulzigen Musical-Walzer „My Favorite Things“ geschaffen…

Die Multiinstrumentalistin Anna-Lena Schnabel, geboren am 24. Juni 1989 im niedersächsischen Obernkirchen, acht Jahre lang jazzmäßig ausgebildet in Hamburg, hat nicht zuletzt durch den wuchtigen Widerhall der „Echo“-Affäre einen beträchtlichen Bekanntheitsgrad erlangt. Zu dem vom Jazzclub und Kulturbüro gemeinsam organisierten Konzert der Reihe „Jazztime“ fanden sich nun über einhundert Besucher in der Schwäbisch Haller Hospitalkirche ein.

Schnabel Schwäbisch Hall - Foto: Hans Kumpf

Freilich wurde da nicht immer bequeme Musik geboten. Erst die Zugabe im gemächlichen Dreivierteltakt, nämlich die (keineswegs an Johannes Brahms orientierte) „Gute Nacht“, eine Komposition der Bandleiterin, vermochte etwas einzulullen. Der offizielle Programmteil hatte mit dem Stück „Plop“ geendet, das Anna-Lena Schnabel bei der hanseatischen Preisübergabe zu ihrem Leidwesen nicht darbieten konnte. Symptomatisch gerieten hier die tonhöhenlosen Schnalzlaute auf dem Saxophon, nachdem Florian Weber mal wieder ausgiebig das Flügelinnere bemüht und im Sinne von John Cage subtil ein „prepared piano“ praktiziert hatte. Bei dem kinderliedhaften „Toy“ brachte Weber, der Anfang Oktober 2017 im Duo mit dem Trompeter Markus Stockhausen an gleicher Stelle mit dem stationären Steinway konventionell umging, ein simples Spielzeugklavier zum Einsatz, dem man eine stimmige Wohltemperiertheit keineswegs bescheinigen konnte. Zudem bediente der in Detmold geborene Tastenmann wiederholt bläserisch eine Melodica und erweiterte auch dadurch sein Klangspektrum.

Raffinierte Akkorde, variable Metren und ausgetüftelte Arrangement-Organisation beherrschten die Musik, die manchen Ohren im Saale doch als zu avantgardistisch erschien. Der Abend hatte begonnen mit dem klangmalerischen „Dying Swan Under The Bamboo Tree“, bei dem Anna-Lena Schnabel freitönerisch und glissandierend nur ins Saxophonmundstück blies, um später dann mit dem vollständigen Instrument wild loszublöken, als sei sie der „Schönklangszertrümmerer“ Peter Brötzmann in den 1960er Jahren. Unterdessen führte bei diesem Klagelied der Pianist Florian Weber tragische Chopin-Akkorde sowie schicksalshaft scheppernde und schnarrende Sounds aus.

Anna-Lena Schnabel hat sich zwar wissenschaftlich intensiv mit Charlie Parker auseinandergesetzt, erinnerte in ihrem Spiel jetzt aber sporadisch an die Altisten Ornette Coleman und Paul Desmond. Und sie griff auch elegant zur Querflöte – mit einem zumeist tiefen Timbre.

Etwas im Hintergrund verblieben der aus Georgien stammende und seit langer Zeit in Norddeutschland wohnhafte Kontrabassist Giorgi Kiknadze und der Schlagzeuger Björn Lücker, die beide allerdings mit viel Feingefühl zu Werke gingen und letztendlich eine ideale Ergänzung zu den zwei Hauptakteuren Anna-Lena Schnabel und Florian Weber bildeten.

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Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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