Es ist die Offenheit des Augenblicks, die stete Herausforderung des aufeinander-Hörens und des sensiblen Zusammenspiels.
Pablo Held, Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel überlassen sich ganz der Offenbarung des Augenblicks, wenn der Pianist seine Ostinati in die Tasten hämmert, die Beine angezogen unter den Klavierhocker klemmt. Pedale nutzt Held vor allem bei seinen zahlreichen Ausflügen in Romantizismen. In zumeist perlenden Läufen huschen dann beide Hände über die Tasten.
Burgwinkel streicht währenddessen mit den Besen über die Felle seiner Trommeln, die er in der Regel mit den Sticks bearbeitet. Landfermann zupft den mächtigen Kontrabass meist marschierend, streicht ihn nur selten mal hell nahe am Brett, mal dunkel gefärbt auf den Saiten. Ein langes, zunächst getragenes Solo wechselt zum nervösen Duo mit dem Pianisten. „Es ist eine reine Improvisation. Sie trägt keinen Titel oder zitiert“, versichert der Bassist. Ein Break auf dem Instrument wird mit sparsamen Piano-Einwürfen garniert.
Bassist Landfermann und Schlagzeuger Burgwinkel leiten den Opener ein. Pablo Held tupft suchend ein paar Akkorde in die Tasten, lange Single-Note-Linien folgen. Die Anschläge auf dem Bechstein-Flügel werden kräftiger. Der Zuhörer glaubt mal die Komposition „Dikkedeo“ zu erkennen, mal „Stubborn“. „Wir gehen offen in das Konzert“, sagt vor Beginn der Pianist und Leiter des Held-Trios. „Doch wir schöpfen aus den Erfahrungen des Zusammenspiels von zwölf Jahren und zehn CDs“ und deren Repertoire. Denn zahlreiche Stücke sind in dieser Zeit entstanden. Und so lauscht das Publikum im gut gefüllten Nieder-Olmer Ratssaal den einfühlsamen Improvisationen über „Unlocking Mechnismen“, „Lineage“ oder „Hidden“.
Abrupt sind die Wechsel in der Dynamik und im Metrum. Das Publikum in der abgedunkelten Intimität des Ratssaales verfolgt atemlos das ebenso waghalsige wie spannende und sensible Zusammenspiel des Trios. Der Bassist löst sich groovend aus dem Dreiergeflecht, der Schlagzeuger antwortet, Held fügt repetitive Patterns hinzu. Akzentuierend rührt Burgwinkel mit dem Holz in den Klangschalen oder reißt die Saiten seines kleinen Hackbretts an. Hin und wieder lässt der Schlagzeuger ein lustvolles Stöhnen hören, wenn eine gemeinsame Improvisation besonders gut gelingt.
Aufregend ist vor allem, wie innerlich geschlossen und logisch die Musik klingt, die auf diese Weise entsteht. In jedem Takt ist spürbar, wie sehr die Künstler des Trios die Töne im Griff haben und zugleich den intensiven Eindruck des Spontanen vermitteln. Das Trio hat seine originäre Klangsprache längst gefunden. Nicht umsonst nennt Held den legendären Trompeter Miles Davis als eines seiner Vorbilder. Denn von diesem stammt übertragen die Aussage: „Geht das Wagnis ein, Neues zu entdecken.“ „Spielt nicht, was ihr könnt, sondern, was ihr nicht könnt“, forderte der Trompeter einst die Musiker auf.
In der Zugabe interpretiert das Held-Trio „Investigation“, die Titelkomposition ihrer jüngsten CD aus diesem Jahr. In dem ausgedehnten Stück beweisen die Künstler nochmals ihre Fertigkeit im aufeinander Eingehen. Landfermann streicht den Bass, Held verliert sich in Romantizismen, Burgwinkel lässt die Becken schrill schreien und klopft die Trommeln. Sanft klingt die Komposition aus. Rauschender Beifall belohnt die Musiker. Aber: Das improvisatorische Spiel verlangt im Jazzkonzert der 8. Festival-Reihe „begegnungen“ von den Zuhörern offene Ohren und Hingabe.