40 Jahre JJO in NRW – Thomas Haberkamp im Gespräch mit Klaus Mümpfer

Thomas Haberkamp - Foto: MümpferDas JugendJazzOrchester Nordrhein-Westfalen (JJO NRW) feiert in diesem Jahr sein 40jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum soll mit verschiedenen Auftritten der Big Band verbunden sein, wobei Höhepunkte zweifelsohne die Konzerte in der Philharmonie Essen am 23. April sowie im Konzerthaus Dortmund am 4. Mai sein werden. Wir sprachen mit Thomas Haberkamp, dem Projektleiter des JJO NRW und von Jugend jazzt in Nordrhein-Westfalen über die Geschichte, Höhepunkte und das Jubiläum jenes Orchesters, das als erstes seiner Art bundesweit undmit Unterstützung des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau eingerichtet wurde.

Frage: Sicher wird sich das Jubiläumsprogramm nicht auf einige repräsentative Konzerte beschränken. Was sieht das Jubiläumsjahr sonst noch vor?

Haberkamp: Über das Jahr verteilt sollen beispielsweise Konzerte in Zusammen-arbeit mit Musiklehrern und Ensembleleitern verschiedener NRW-Schulen durchgeführt werden.Das Orchester wird Aufführungen und Workshops anbieten, um Jugendliche frühzeitig für Jazz zu begeistern. Auch auf dieser Grundlage liefert die Band regelmäßig und reichlich Nachwuchs für das BundesJugendJazzOrchester (BuJazzO). Mit der Bundesauswahl sind übrigens ebenso Konzerte geplant wie mit Jugendjazzorchestern anderer Bundesländer.

Frage: Werden, wie bei früheren Jubiläen, wieder Gastsolisten in Essen und Dortmund mitwirken ?

Haberkamp: Als Gäste werden ehemalige Mitgliederdes Orchesters teilnehmen.

Zu ihnen zählen der Trompeter Markus Stockhausen, der 2005 den WDR-Jazzpreis in der Kategorie „Improvisation“ errang, der Saxophonist Paul Heller, Mitglied der WDR-Big Band, sowie der Pianist und Jazz-Echo-Preisträger Florian Weber, der 2014 den WDR-Jazzpreis in der Kategorie „Improvisation“ erhielt. Als Special Guest haben wir den Sänger und Schauspieler Gustav Peter Wöhler verpflichtet. Die Moderation wird, wie bereits im Jahr 2000 zum 25jährigen Bestehen des Orchesters, Roger Willemsen übernehmen. Übrigens kommt unsere Ministerpräsidentin,Hannelore Kraft, zum Konzert nach Dortmund.

Frage: Das 40jährige Bestehen führt zwangsläufig zu der Frage nach dem Entstehen des JugendJazzOrchesters NRW. Wie begann es 1975?

Haberkamp: Vor 40 Jahren war Nordrhein-Westfalen das erste Bundesland, das mit Unterstützung der Landesregierung ein solches Ensemble förderte. Es wurde gegründet, um auch auf dem Gebiet des Jazz eine angemessene künstlerische Nachwuchsförderung zu betreiben. Vielen seiner Mitglieder diente es als Sprungbrett für den Beruf des Jazzmusikers. Bislang haben rund 650Jugendliche im Orchester mitgewirkt. Mehr als ein Drittel von ihnen ist derzeit professionell musikalisch tätig. Viele spielen heute in etablierten Orchestern wie den Big Bands des Westdeutschen, des Norddeutschen und des Hessischen Rundfunks.

Frage: Was ist das Besondere am JugendJazzOrchester Nordrhein-Westfalen?

Haberkamp: Einen herausragenden Namen hat sich das Orchester unter anderem durch ausgefallene und innovative Projekte gemacht. Dazu gehört vor allem die Zusammenarbeit mit Künstlern und Ensembles anderer Musikgenres sowiemit klassischen Orchestern. Die Bereitschaft und die Kompetenz, mit der das Orchester stilübergreifend agiert, führen zu zahlreichen interessanten Kombinationen, die neugierig machen, manchmal auch provozieren. Hinzu kommen Einladungen an namhafte Solisten aus dem Bereich des Jazz ebenso wie aus den Sparten Pop und Chanson.

Frage: Können Sie Beispiele für dieses kreative Schaffen über die Jazz-Grenzen hinweg nennen?

Haberkamp: Hierzu gehören, wie schon erwähnt, Kooperationen mit Sinfonie-orchestern wie den Bergischen Symphonikern, dem BundesJugendOrchester, dem LandesJugendOrchester NRW, der Jungen KammerPhilharmonie NRW sowie mit Chören. Es wurden Auftragskompositionen realisiert, darunter unter anderem jene der Philharmonie Minsk aus Anlass des 15. Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe, der NRW-Landesregierung zum Jubiläum „60 Jahre Grundgesetz“ oder der Tonhalle Düsseldorf anlässlich einer Kooperation mit dem Jungen Tonhallenorchester.

Frage: All diese Leistungen wären ohne das pädagogische Personal nicht möglich. Wie sieht es damit aus?

Haberkamp: Seit seiner Gründung wurde und wird das Orchester von einem Leitungsteam aus vier Dirigenten betreut. Da war zunächst Rainer Glen Buschmann, der ehemalige Leiter der Dortmunder Musikschule und Initiator dieser Fördereinrichtung. Er wurde 1993 von dem Kölner Saxophonisten und Big Band-Leiter Michael Villmow abgelöst. Ferner betreuten Wolf Escher, Wolfgang Breuer und Meinhard Puhl die Band von Beginn an.

Nach einer Übergangsphase, in der zwischenzeitlich unter anderen Marco Lackner und Frank Reinshagen die künstlerische Leitung innehatten, wird das Orchester seit 2008 vom derzeitigenTeam betreut. Dies sind der Argentinier Gabriel Pérez, die Kölner Saxophonisten Stefan Pfeifer-Galilea und Michael Villmow sowie der Posaunist Stephan Schulze aus Münster. Jeder dieser vier Leiter komponiert und arrangiert sowohl für Big Band als auch für klassische Klangkörper. Außerdem steht Jeder für eine bestimmte musikalische Richtung. So werden die Jugendlichen mit unterschiedlichen Musikstilen „spielerisch“ vertraut gemacht. Hinzu kommen immer wieder Gastdozenten, die der Band mit eigenen Arrangements projektbezogen neuen Input verleihen.

Frage: Können sie einige Höhepunkte aus der Geschichte des Orchesters aufzählen? Immerhin ist das JJO NRW unverändert ein Kulturbotschafter des Landes Nordrhein-Westfalen und hat mit seiner Musik rund um den Globus sein Publikum gefunden.

Haberkamp: Die bislang 37 Reisen des Orchesters führten in die ehemalige Sowjetunion, in die Türkei, nach Afrika sowie nach Süd- und Nordamerika, in die Karibik, nach Australien, Neuseeland und Indien. Im Mai 1996 begeisterte die Big Band in ausverkauften Hallen das Publikum in China. Das JJO NRW war meines Wissens damals das erste deutsche Jugendorchester überhaupt, das im Reich der aufgehenden Sonne tourte. 1998 und 2009 führten Konzertreisen erneut nach China. Auf Einladung des Goethe-Instituts spielte das Ensemble 2003 in Südkorea und Marokko, im Sommer 2004 in sieben Ländern Mittelamerikas. Griechenland und Estland waren die Ziele der Band in den Jahren 2005 und 2006. Südostasien stand 2007 und Israel 2008 auf dem Tourneeplan. 2010 bereiste das Orchester den Senegal, 2011 die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait, 2012 Südfrankreich, 2013 Finnland und Irland und 2014 Island. 2015 steht England auf dem Plan.

Frage: Neben den zahlreichen Konzerten in aller Welt konnten zuhause die Jubiläen zum 25-jährigen Bestehen, der 30. und der 35. Geburtstag des Orchesters gefeiert werden.

Haberkamp: Zum 25. Geburtstag spieltedas Orchester mit namhaften Größen des deutschen Jazz. Paul Kuhn undKlaus Doldinger waren neben einer Allstar-Besetzungaus Mitgliedern deutscher Rundfunk-Big Bands mit von der Partie.

Moderiert hat Roger Willemsen. Das 30jährige Bestehen feierten wir mit Katja Riemann, Paquito d’Rivera, Frank Chastenier und dem holländischen Entertainer Robert Kreis. Zum 35. Geburtstag in 2010 stand eine Kooperation mit der JungenKammerPhilharmonie NRW auf dem Programm. Im selben Jahr wurde die Band, wie schon 2006, beim Bundeswettbewerb für Auswahl-orchester zum besten LandesJugendJazzOrchester gekürt. Zudem wurde ihr 2013 der WDR-Jazzpreis in der Kategorie „NRW-Jazznachwuchs“ zugesprochen.

Frage: Wie sieht das Repertoire aus?

Haberkamp: Neben Klassikern bestimmen zeitgenössische Strömungen das musikalische Programm. Es umfasst vor allem Eigenkompositionen und Arrangements der Orchesterleiter, die auf die spielerischen Möglichkeiten der Mitglieder zugeschnitten sind. Ein Dutzend Tonträgerproduktionen belegen die vielfältigen Aktivitäten und die Präsenz in der Szene. Eine neue CD mit dem Titel „Triangle“ wird in Kürze zum Jubiläumsjahr erscheinen.

Frage: Wie sehen Ihr Fazit und Ihr Blick in die Zukunft aus?

Haberkamp: Das JJO NRW, eng verzahnt mit dem NRW-Landeswettbewerb „Jugend jazzt“, ist bestrebt, seinen jugendlichen Teilnehmern ein möglichst breites musikalisches Spektrum zu vermitteln, Toleranz und Bereitschaft zu fördern, sich unterschiedlichen musikalischen Einflüssen zu öffnen. In einer Zeit, in der in zunehmender Weise gesellschaftliche und religiöse Vielfalt in Bedrängnis geraten, ist es umso wichtiger, den internationalen kulturellen Austausch zu fördern und den Dialog mit Kulturen anderen Länder zu intensivieren. Dieser Aufgabe hat sich das JJO NRW bislang erfolgreich gestellt. Siewird auch künftig zum unverzichtbaren Bestandteil der Orchesterarbeit gehören. In diesem Zusammenhang sei dem Goethe-Institut ausdrücklich für die bisherige Unterstützung gedankt.

 

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