Zwischen den Stühlen, über den Stilen – Jazzpages – Jazz in Deutschland / Germany


Alle Photos auf dieser Seite: Hans Kumpf 

Man darf gewiss sein: Wenn der Haller Jazzclub zu einem Konzert mit weitgehend unbekannten Musikern in die Hospitalkirche einlädt, darf man sich auf eine positive Überraschung gefasst machen. Das rheinische Ensemble „Three Fall“ entpuppte sich so keineswegs als Reinfall.

Schwäbisch Hall.- Das Trio aus Neuss zauberte in Hall über so manche Hip-Hop-Rhythmen orchestrale Klangfülle herbei –natürlich mit akustisch-instrumentalen Tricks oder mit elektro-technischen Hilfsmitteln. Da erinnerte Posaunist Til Schneider mit seiner Zirkularatmung und mit den durch gleichzeitiges Singen und Blasen bewirkten Interferenztönen an das multiphone Spiel von Albert Mangelsdorff, der ja seine Kunst auf dem genau gleichen Podium unter nackertenBarockengeln und gestrengen Aposteln am 14. Januar 1968 demonstriert hatte. Aber heutzutage haben nicht nur Gitarristen fußbedienend allerlei hochtechnisiertes Manipulationsgerät zur Verfügung. So konnte Til Schneider per Knopfdruck einen virtuellen Posaunen-Chor aufhorchen lassen und mit ausgetüftelten „Loops“ mit und gegen sich selbst spielen. Derlei Effekte waren zwei Tage zuvor auch bei einem von der breiten Öffentlichkeit leider unbemerkten Auftritt des Grazer Weltklasse-Posaunisten Christian Muthspiel in der nahen „Kunsthalle Würth“ zu bestaunen. 

Doch dieser Einsatz der Elektronik verkommt nicht zum eigensüchtigen Firlefanz, sondern erweist sich als musikalisch sinnvoll. Dies handhabte auch Lutz Streun so, der neben der Bassklarinette vor allem das Tenorsaxophon blies. Außer den natürlich erzeugten (aus dem Obertonspektrum herausgefilterten) „Harmonics“ schuf er auch dank modernem Maschinenpark aus Transistoren und Chips eine verblüffende Mehrstimmigkeit. Eingespeist in das elektronische Transformationssystem wurden die Töne mittels eines geradezu antiken Sennheiser-MD421-Mikrofons – schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sah man dieses globige Ding bei „Tagesschau“-Reportern…

Perkussionist Sebastian Winne sorgte für das zeitgeistige Rhythmus-Feeling: Anstatt leichtgängigem „swing“ eher harte Techno-Schläge. Aber dies hinderte ihn nicht daran, mit weichen Filzschlägeln schwebende Klanglandschaften zu malen oder dem Benny-Goodman-Mann Gene Krupa mit den „talkingdrums“ nachzueifern.

Ein Trio ohne ein so genanntes Harmonie-Instrument – weder Bass noch Piano oder Gitarre. Die beiden Bläser von „Three Fall“ kamen aus dieser Zwickmühle heraus, indem der Nicht-Solist flugs auf Begleitfunktion wechselte und fundierende Riffs oder ostinate Figuren hinlegte.

Nachdem sich der umtriebige Jazz-Pianist Jens Thomas die Heavy-Metal-Band „AC/DC“ vorgenommen hatte, brauchte man sich nicht wundern, dass die Combo „Three Fall“ die soeben in die „Hall ofFame“ aufgenommene Band „Red Hot Chili Peppers“ covert – dies freilich kreativ und individuell. Doch die Kalifornier klingen ohnehin nicht so scharf wie sie heißen. Und nun vermengen die drei Jungjazzer aus dem Rheinland ganz unbekümmert Rock, Pop und Jazz – und mischen dazu auch mal barocke Kontrapunktik.

Eine weltoffene Musik über den Stilen und sozusagen zwischen den Stühlen. Mag die Zuhörerschaft in der Hospitalkirche auch klein gewesen sein – der Euphorie tat dies keinen Abbruch. Nach zwei frenetisch herbeigeklatschten Zugaben lief der CD-Verkauf samt Signieren der Tonträger bestens.

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