Seine Komposition „Wendekreis des Steinbocks“ fehlte wie – sein furioser „Trans Tanz“ – fast nie bei den Auftritten von Wolfgang Dauner. Der Stuttgarter Pianist von Weltgeltung wurde im Tierkreiszeichen „Capricornus“ geboren – eben am 30. Dezember 1935. Seinen 75. und 80. Geburtstag feierte er ausgiebig: Auf Festivals, Konzertbühnen sowie mit CD, DVD und Biografie-Buch. Nach seinem 1999 erlittenen Schlaganfall grenzte an ein glückliches Wunder, dass Dauner wieder so munter musikalisch agieren konnte – seine 1991 geehelichte Frau und Managerin Randi Bubat war organisatorisch sehr emsig. Nun musste sie vermelden, dass Wolfgang Dauner am 10. Januar 2020 84-jährig verstorben ist. Am 9. April sollte er laut Planung beim Osterjazz im Stuttgarter Theaterhaus seinen 85. Geburtstag vorfeiern…..
Symptomatisch beim „Wendkreis des Steinbocks“ war Wolfgang Dauners Faible für mit der linken Bass-Hand ausgeführte ostinate Figuren, über die rechtshändig mal blockakkordisch oder mit gebrochenen Akkordlinien sequenzierend improvisiert wurde und zuweilen auch irisierende Klanggebilde entstehen konnten. Eingestreute „bluenotes“ sorgten im romantisch-impressionistischen Metier für die nötige Jazz-Würze.
Vor Traditionellem hatte der vormalige Avantgardist, der Synthesizer-Elektronik in den Free Jazz Integrierte und mit „Et Cetera“ auch rockig daher kam, keine Scheu. So ließ er beispielsweise Chet Bakers Paradenummer „My Funny Valentine“ mit den schönen Moll-Changierungen oder Jerome Kerns „Yesterdays“ erklingen. Diesen unvergänglichen Standard (nicht zu verwechseln mit Paul McCartneys „Yesterday“, das er schon in den 1960er Jahren verjazzte!) hatte er schon 1964 auf seiner allerersten LP „Dream Talk“ eingespielt. Und das Titelstück dieses historischen CBS-Vinyls zelebrierte Wolfgang Dauner auch ein halbes Jahrhundert, allerdings mit einem behutsam „prepared piano“. Dass die Instrumentalisten im Flügelinneren hantieren oder die Saiten mit Gegenständen abdämpfen, um das Soundspektrum zu erweitern, bedeutet heutzutage ja nicht mehr eine John-Cage-Provokation, sondern gehört mittlerweile zum seriösen und guten Ton. Gershwins „Summertime“ blieb bei Dauner sein ganzes Musikleben lang ein gerne aufgefrischter Evergreen.
Wolfgang Dauner präsentierte sich am Flügel und in seinen Ansagen als gutmütiger „Steinbock“. Der provozierende Hitzkopf von einst ist längst zum coolen Kulturmenschen mutiert – samt Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Der humorvolle Jazzer erzählte von seinem Künstlerleben und konnte dabei den Posaunenweltmeister Albert Mangelsdorff nicht unerwähnt lassen. Von seinem langjährigen Duo-, Combo- und „United Jazz + Rock Ensemble“-Partner brachte er dessen „Wheat Song“ zu Gehör.
Auch mit der Radio Jazz Group am damaligen Süddeutschen Rundfunk hat Wolfgang Dauner die Kulturszene wesentlich bereichert. Nicht zu vergessen großorchestrale Werke wie „Der Urschrei“ sowie Szenisches und Theatralisches. Man wird ihn nicht nur in der baden-württembergischen Landeshauptstadt sehr vermissen – nicht nur bei den Verleihungen der „German Jazz Trophy“. Diesen Preis für sein Lebenswerk erhielt er 2003 zuerkannt, und er war auch im Juli 2019 dabei, als mit der Trophäe die Vokalistin DeeDee Bridgewater bedacht wurde. Allerdings machte der nun Verstorbene damals einen geschwächten Eindruck.
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen