Pianist Django Bates vollführte in Schwäbisch Hall intellektuelle Musik

Variable Metren bei mildem Kerzenschein

Der 1960 in Beckenham geborene Leon „Django“ Bates wurde in Deutschland spätestens 1993 durch seinen großorchestralen Auftritt beim Jazzfest Berlin allgemein bekannt.

Seine Performance in der ehrwürdigen Philharmonie verband musikalische Komplexität und Intelligenz ideal und locker mit Humor. Über ein Clubgastspiel zusammen mit dem amerikanischen Cellisten Hank Roberts schrieb ich im gleichen Jahr: „Auf dem Flügel zauberte er eine höchst kultivierte Anschlagstechnik hin. Dann setzte er in „ceciltaylorischer“ Geschwindigkeit Barock-Phrasen als ornamentale Begleitfigur hin, mit einem Frottiertuch wischte er buchstäblich über die Tastatur hinweg“.

Zu alten Zeiten setzte der gewiefte Keyboarder noch ein Tenorhorn ein – auch sein Landsmann Mike Westbrook bedient ja sowohl das Piano als auch ein tiefes Blechblasinstrument. In Schwäbisch Halls profanierter Hospitalkirche beschränkte sich Django Bates nur auf den Flügel. Ein stilvolles Ambiente mit flackerndem Kerzenlicht: Schon gefühlter 4. Advent oder eine Huldigung an Halloween? Der Brite hat seinen Schalk nicht verloren, was sich zudem in seinen gewitzten Ansagen niederschlug.

Seine Kompositionen sind freilich akribisch ausgetüftelt. Bei „Slippage Street” beispielsweise notiert Django Bates als variable Metren direkt hintereinander triolisch einen 9/16- und 6/4-Takt. Entsprechend sind bei mannigfach inszenierten Temposchwankungen auch die Harmonien und die Melodien komplex und reizvoll zugleich. Und wenn mal amerikanische Entertainment-Weisen ansatzweise zitiert werden, geraten diese Einsprengsel keinesfalls zur Geschmacklosigkeit. Sinn und Verstand sind stets dabei, tonale Fixpunkte geben bei gelegentlichen Avantgarde-Ambitionen wieder Orientierung. Eine Darbietung voller Eleganz und Raffinesse, wobei Intensität nicht mit Lautstärke gleichgesetzt wird.

Das „klassische“ Jazz-Klaviertrio hat Bates individuell renoviert: Keine überkandidelte Soloextravaganzen, sondern trautsam stets ein gemeinsames Vorgehen. So praktiziert es ja übrigens noch das polnische Marcin Wasilewski Trio, welches ebenfalls bei Manfred Eichers Label „ECM“ unter Vertrag steht. Die jüngste von Bates in München veröffentlichte Silberscheibe nennt sich „The Study Of Touch“ und sein internationales Trio heißt akzentbehaftet „Belovèd“. Inniglich geliebt wird von Django Bates der Bebop-Pionier Charlie Parker. In sein Repertoire integrieren sich etliche Stücke vom legendären „Bird“ – nicht nur „Passport“ (wie auf der CD von ECM-Records) oder der allzeitliche Ohrwurm „Now’s The Time“. Allerdings erhalten auch diese moderne Standards ideenreiche Arrangements und wirken bei Live-Auftritten außerordentlich frisch.

Das Kleinensemble von Django Bates ist präzise aufeinander abgestimmt. Über ein phänomenales Gedächtnis verfügt der vom schwedischen Göteborg stammende Kontrabassist Frans Petter Eldh, der die Noten im Kopf hat – und nicht den Kopf in den Noten. Außerdem bewährt er sich mit zielgenauen Pizzicato-Aktionen als zuverlässiger Improvisator. Erstaunlich filigran und „ausgespart“ behandelt der Däne Peter Bruun sein spartanisches Drumset, wobei er an Elvin Jones, den Schlagzeuger von John Coltrane, erinnert. Fein ziseliertes Spiel der „sticks auf brushes“ auf den Cymbals, sporadisches Handwerk auf den Trommelfellen. Beim Haller Konzert tastete der Bandleader gerne Blockakkordisches ein, das sich bis zu doch zierlichen Cluster-Ballungen ausweitete. Wiederholt meinte man, vom Steinway grazile Glockenklänge zu vernehmen – der bekannte „Big Band“-Ruf war allerdings nicht dabei.

Alle drei Instrumentalisten bildeten kurzfristig noch einen wortlosen Background-Chor. Auch dies kein bloßer Gag, sondern musikalisch sinnvoll und bereichernd. Harmonische Friedfertigkeit und kunstvoll verwobene Linien sind Kitschigem abhold.

Freundlich-herzlicher Beifall nach jedem Stück, eine Zugabe, fürwahr eine niveauvolle Angelegenheit.

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Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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