„Paul Kuhn and the best“ beim Jazzclub Rheinhessen in Nieder-Olm, 11.April.2003

Der Swing-Pianist Paul Kuhn wagt sich an den Bebop-Giganten Sonny Stitt und es gelingt ihm eines der Highlights an diesem mitreißenden dreistündigen Konzertabend: Das schnelle „Stitt´s Tune“ eröffnet mit einem satten und präzisen Bläsersatz sowie vollem Big-Band-Sound – obwohl nur zwei Saxophone, zwei Trompeten und eine Posaune mit von der Partie sind. „Paulchen“ sitzt am Klavier, schlägt die Beine übereinander und führt die Band mit sparsam-lässigem Akkordspiel in der Manier der großen Big-Band-Leader. Trompeter Benny Bailey bläst eines jener Soli mit der typischen geschmeidigen Phrasierung und dynamischen Kontrasten, Peter Weniger greift in seiner Improvisation auf Melodievariationen zurück, bevor sich Kollege Gustl Mayer zu einem expressiven, brodelnden Kampf mit ihm und dem Posaunisten Jiggs Whigham einlässt. Dusko Goykovich greift erstmals an diesem Abend zum Flügelhorn, das er auch in den kraftvollen hohen Lage mit warmem Ton spielt, während Benny Bailey in dieser traditionellen Runde der Solisten mit stählern gleißendem und vibratoreichen Spiel in High-Note-Regionen steigt. Es ist ein begeisterndes Finale, nachdem die mehr als 700 Zuhörer in der ausverkauften Eckes-Halle von Nieder-Olm Paul Kuhn und die Band mit stehenden Ovationen gefeiert hatte.

Begonnen hatte das Konzert ganz konventionell mit der Erkennungsmelodie des Swing: „It don´t mean a thing, if it ain´t got that Swing“ hatte Duke Ellington 1932 versichert und Paul Kuhn griff das Bekenntnis 2003 zum 75. Geburtstag in diesem Konzert des Jazzclubs Rheinhessen mit seinem Trio freudig auf. „There is no greater love“ von Isham Jones zählt zu den lyrischsten Kompositionen des Swing. Gustl Mayer mit dem dunklen Balladenton eines Ben Webster führt ein Zwiegespräch mit Peter Weniger, der aus der lyrisch coolen Schule eines Lester Young kommt. Doch wenn beide sich einen der an diesem Abend häufiger zu hörenden Saxophon-Battles liefern, dann wird es kochend heiß wie bei Eddie Lockjaw Davis. Leicht überblasene Stakkati und Ostinati mit Melodiekürzeln würzen die Duos. Posaunist Whigham besticht mit seinem voluminösen warmen Ton und biegsamer Phrasierung, mit seinen druckvollen Fanfarenstößen. In Greens berühmter Komposition „Body and soul“ bläst Weniger nicht nur in der für ihn typischen Ambivalenz von Expression und Verinnerlichung, er überrascht mit kurzer Mehrstimmigkeit auf dem Instrument. Paul Kuhn besticht in diesem Duo mit sparsamem Akkordspiel und Single-Note-Kürzeln. „Home“ scheint Bailey auf den Leib geschrieben zu sein. Der warme, leicht heisere Ton schlägt plötzlich in stählernen Glanz um – und Bailey zitiert zu Freude der Zuhörer ein paar Takte „When the Saints“. Schließlich wagt sich Kuhn an Thelonious Monk, den Exzentriker des Bebop, und arrangiert „Well you needn´t“ auf seine humorvoll lässige Art. So bekommt die bizarre Klanglichkeit Monks ein neues Gesicht, ohne seinen Charakter zu verlieren.

Bei einem Geburtstagskonzert von Paul Kuhn darf die Sängerin Greetje Kauffeld nicht fehlen. Zum sanften Begleitspiel des Trios mit Paul Kuhn, dem Bassisten Paul Ulrich und dem Schlagzeuger Willy Ketzer interpretiert sie einfühlsam die Ballade „My funny Valentine“ oder im Duo mit Kuhn „Young at heart“. Ihre biegsame Phrasierung und Wärme hat nichts an Ausdruckskraft und Charme verloren.

All dies verbindet der routinierte Entertainer und Altersjubilar Kuhn mit verschmitztem Lächeln und humorvollem Geplauder. Mit 75 ist „Paulchen“ vielleicht ein bisschen weiser geworden, besitzt nach wie vor musikalische Ausstrahlung. Das Ur-Gestein des deutschen Nachkriegs-Jazz hat nicht – wie etwa Albert Mangelsdorff – den Schritt in die Moderne getan. Er ist dem Swing verbunden geblieben und spielt ihn vital wie eh und je.

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