Das gedämpfte rötliche Licht assoziiert eine sinnliche, intime Atmosphäre. Zart klingen Glöckchen, leise die Schläge auf den nordafrikanischen Spanntrommeln. Martha Gallarraga hebt zum Yoruba-Gesang an, der Rapper ZubZ gesellt sich mit seinen Spoken-Words dazu. Ein spannungsreiches und reizvoll kontrastierendes Duo. Die kubanische Bata Drum, die marokkanische Darbukkah und afro-venezuelanische Percussion weben einen dichten Rhythmus-Teppich, auf dem später der Pianist Omar Sosa in seinen ausufernden und jeden Ton auskostenden Läufen schwelgt. Die Sängerin tanzt auf der Bühne, den Rücken den Publikum zugewandt, völlig selbstvergessen. Am Rand der Stuhlreihen tun es ihr ein paar Besucher des Konzertes der Jazz-Fabrik nach. Sie wiegen sich in den zupackenden Rhythmen, während die Mehrheit der Zuhörer an die Sitze gefesselt ist und Sosa gegen Ende des Konzertes zu dem gut gemeinten Appell animiert „wake up“ – dem die so Aufgeforderten mit Händeklatschen folgen.
Dann sitzt der Kubaner Sosa wieder am Flügel, hämmert in die Tasten, während sich der Körper ekstatisch windet. Der Pianist verschweißt afrikanische Folklore mit dem kubanische Son, Jazz von Monk über Taylor bis Jarrett mit Latin und Samba, europäische Romantik mit Avantgarde. Mal sucht er tastend in kurzen Single-Note-Figuren nach kontemplativer Entspannung, dann wieder haut er mit Handflächen und Unterarmen dissonante Cluster ins Instrument. Er steht vor dem Flügel, bearbeitet die Saiten mit Sticks und Rasseln, reißt sie mit den Fingern an oder verzerrt den Naturklang unter Metallstäben. In seiner Zugabe, die ebenso an die hymnische Kraft der Kompositionen von Abdullah Ibrahim gemahnt wie an die romantische Verklärung eines Keith Jarrett und die in dieser Verbindung eine ganz eigene Ausprägung erfährt, trommelt Sosa schließlich auch auf dem Deckel des Bösendorfer. In diesem Duo mit den Samba-Rasseln von Miguel Puntilla Rios jr. breitet der Pianist das ganze Spektrum seiner Einflüsse aus.
Ein Bass-Solo von Machanguela Namirri mit rockenden Slap-Griffen, Akkordreihen, die sich zu einer Melodielinie formen sowie mal soulgetränkte, mal expressive Bebop-Phrasen des Saxophonisten Eric Crystal sorgen für die jazzigen Zutaten im afrikanisch-kubanischen Cocktail Sosas. Die Intensität schreitet in Wellenbewegungen fort. Mit schlenkernden Armbewegungen treibt Sosa die Band an, steigert sich und die Begleiter in musikalische Ekstase – ohne jedoch die Kontrolle zu verlieren. Voodoo-Zauber und Yaruba-Religion verwachsen miteinander. Die brennende Kerze und der rote Schal auf dem Flügel unterstreichen den mystischen Zug der Performance.
„Sentir“ – der Leitsatz der Tournee, die den Kubaner auf die Hinterbühne des Theaters führte – bedeutet „fühlen“. Und emotional sowie körperbetont sind die Kompositionen Omar Sosas ohne Zweifel. Dies gilt für die treibenden orgiastischen Tutti ebenso wie für die zarten, balladesken Soli auf dem Piano. Solche Extremsprünge schafft der Spiritus Rector in fast allen Stücken, ohne dass es dadurch zu Brüchen kommt. Vielleicht ist es dieses Spannungsfeld, das die Musik Sosas so kommunikativ und mitreißend wirken lässt. Eine atemlose Weltmusik voller Seele.