Der Gang zum Konzert hat – zumindest auf der dunkleren Seite – den Charme eines Weges zu einem transsylvanischen Schloss. Tatsächlich ist es die Neckarsteinacher Mittelburg, die dem ersten Enjoy Jazz Konzert in der Vierburgenstadt überhaupt – im 20. Festivaljahr – eine Herberge bietet.
Ein wunderbarer Raum, behutsam renvoviert mit einigen modernen Elementen, die sich harmonisch ins Gesamtensemble einfügen. Man wünscht sich der Burgherr wäre ein Jazzfreund, und es könnten an diesem Ort häufiger Jazzkonzerte stattfinden. Der Flügel für Ketil Bjørnstad steht in der Mitte dieses Raums, und der ist komplett gefüllt.
Wer Bjørnstad nicht kennt, im Netz recherchiert, der findet als Wikipedia-Treffer seinen Namen. Darunter: „Schriftsteller“. Der norwegische Pianist ist tatsächlich ebenso Lyriker und Autor mit über 30 veröffentlichten Romanen. Seine musikalische Karriere ist ebenso beeindruckend: seit Jahrzehnten gehört er zu den Künstlern des ECM Labels und die symbiotische Beziehung zwischen Label, dessen Chef Manfred Eicher und ihm selbst, sie wird auch dokumentiert mit einem ihm gewidmeten Stück im Konzert.
In der Musik muss man immer in Linien denken, auf denen eine Entwicklung stattfindet. Die Akkorde setzen die Meilensteine, und dann geht es in gewisser Weise vertikal nach unten. Ich denke, in der Musik sollte man sowohl luftige Leichtigkeit und Atmosphäre als auch Bodenkontakt anstreben, also nach oben und unten schauen. (K.B.)
Vielleicht kann man Bjørnstad musikalisch als Bindeglied der beiden Pole „Jazz und Anderes“, dem Untertitel des Enjoy Jazz Festivals, sehen. Er stellt seine Melodien vor, improvisiert, kommt wieder zum Thema, gelegentlich flicht er kurze swingende Passagen in seine Stücke ein – da ist er, der Jazz. Die praktische Form seines Spiels zeigt aber seine klassische Schulung. Und so ist er eben auch ein moderner Klassiker mit dem Gestus eines klassisch geschulten Pianisten. Mit einer beeindruckenden Technik seines ebenso kraft- wie phantasievollen Spiels. Das wirkt auch wenn er die komplette Dynamik des Flügels auslotet, immer leicht und transparent, und ist von einer Klarheit, die ihresgleichen sucht.
Urheberrecht Fotos: Frank Schindelbeck Jazzfotografie