Diese herrlichen, schräg klingenden mehrstimmigen Bläsersätze über dem beständig pulsierenden Rhythmusgewebe des Schlagzeugs und dem Korg mit dem Orgel-Sound. Diese ausgedehnten Soloausflüge der Bläser, die bei aller improvisatorischen Freiheit eine starke Bindung an die Tradition verraten.
Unnachsichtig hart rhythmisch grooven sich die Musiker von Josh Roseman´s Execution Quintet beim Konzert des Rüsselsheimer Jazzfabrik in der kalten ausgedienten Opel-Werkshalle durch den Abend. „Brass and drums“ wäre eine passende Bezeichnung für diese percussive Musik mit den akzentuierten Bläsersätzen.
„Ein Stil reicht mir nicht“, sagt Josh Roseman. „Ich brauche mehrere, um mich auszudrücken.“ Und so kombiniert er alles, was der Jazz von New Orleans bis Mainstream, von Funk und Rock, Blues und Free hervorgebracht hat. Humorvoll, schräg, wild, vital und aggressiv ist diese Fusion, die dennoch nicht zu einem Stilmischmasch führt, sondern zu einem reizvoll kontrastierenden Neben- und Nacheinander.
Schon der Einstieg bereitet die Zuhörer auf ein hochenergetisches Spiel mit scharfen Bläserriffs vor. Über dem pulsierenden Schlagzeug von Justin Brown finden sich Josh Roseman an der Posaune, Alex Sipiagin mit der Trompete und Myron Walden mit dem Altsaxofon zu einem mehrstimmigen, rhythmisch verschleppenden Bläsersatz, aus dem sich ein am Hardbop orientiertes Saxofon-Stakkato schält, ein leicht aufgerautes und eher klassisch inspiriertes Posaunensolo entwickelt und schließlich in ein melodisches Trompetensolo mit spitzen Highnotes mündet. Peter Apfelbaum an seinem Synthesizer legt ein ostinates Bass-Spiel unter diese Soli-Abfolge.
Es ist dieser Gegensatz von frei harmonischen Tutti und gebundenen Soli, die den Reiz der Eigenkompositionen ausmachen. Fast schon besessen ideenreich kostet Roseman´s Quintett die Möglichkeiten der Klangfärbungen und der stupende durchlaufenden, allgegenwärtigen Rhythmusgeflechte aus. So kommt in dem nahezu einhundert Minuten Non-Stop-Konzert trotz sich gleichender Strukturen nie Langeweile auf.
Apfelbaum, der in der Regel eher unauffällig ein Bass-Fundament legt, darf zwei oder drei Stücken beweisen, wie flinkfingrig er auf der Orgel in rasanten Läufen und eingestreuten Clustern Melodievariationen der Kopfthemen beisteuern kann. Groovend treibt der Keyboarder dann wiederum mit dem Schlagzeuger den Saxofonisten voran, der inbrünstig seine expressiven Läufe in hohen Lagen hinauspresst. In „Pinking for mystics“ wiederum leitet Roseman das Thema mit einem warmen und lyrischen Posaunensolo ein, spielt auf dem Instrument mit Vibrato mehrstimmig, während der Schlagzeuger einen Marschrhythmus unterlegt. Und immer wieder diese harmonisch verfremdeten Bläsersätze – mal Up-Tempo, dann wieder getragen.Treibende Funk-Riffs werden übereinander geschichtet und mit wechselnden Klangflächen kombiniert. So entsteht eine komplexe, verschachtelte Musik von ungeheurer Dynamik, die wiederum vom Rhythmus strukturiert wird. Als Zugabe gibt es das, was auch in dieser originellen Variante Grundlage allen Jazz ist – einen Blues.