Bei einem All-You-Can-Hear Festival wie Jazz & The City in Salzburg ist es ganz einfach ein Festivalprogramm zu hören, wie es kein Anderer sich zusammenstellt. Über 200 Musikerinnen und Musiker begeisterten im Oktober 2018 rund 25.000 Zuhörer.
Zum zweiten Mal in Salzburg war die Strategie als Besucher etwas ausgebuffter als im Vorjahr. Bestimmte Konzerte werden gezielt ins Auge gefasst, strategisch „mit Luft“ geplant, so dass es – gelegentlich durch kurzweilige Gespräche versüßt – reichlich Wartezeit gab, und der Platz im Konzert war damit sicher. Die Einlasspolitik war strenger als im Vorjahr: Security mit Zähler in der Hand sorgte dafür, dass im Inneren der Konzerträume alles gut gefüllt, aber nicht übermäßig gedrängt wurde.
Natürlich gab es auf den großen Hauptbühnen im „Szene Theater“ oder im Landestheater auch die „großen Namen“, mit Ralph Towner, Ed Motta, Sylvie Courvoisier, Mark Feldman… – begonnen mit dem Trondheim Jazz Orchestra, mit das diesjährige Festival eröffnet wurde. Fast zeitgleich allerdings fand bereits eines der kleinen, feinen Konzerte statt. Im Markussaal des YOCO musizierte ein die Hörer entweder begeisterndes oder verschreckendes Frauen-Quartett. Mit den Saxophonistinnen Mette Rasmussen und Ava Ade, mit Susana Santos Silva an der Trompete und Kaja Draksler am Flügel. Horizonterweiternder Free Jazz allererster Güte.
Bemerkenswerte Zumutungen bei Jazz & The City
Die Festival Chefin, Tina Heine, war nicht zimperlich in der Zusammenstellung des Programms. Das konnte dazu führen, dass im Hintergrund getuschelt wurde „das ist doch gar kein Jazz“ – aber man darf sich recht sicher sein: wenn solche Kommentare im Publikum fallen, dann hat man als Kuratorin nichts falsch gemacht. „Zumuten“ im Sinne von „ich traue meinem Publikum das zu“. Zum einen, weil ein anspruchsvolles Publikum damit erfreut wird, zum anderen, weil ein Jazzfestival mit Anspruch – selbst, wenn es nur kostenlose Konzerte anbietet – das seinen Namen verdient, eben auch sperrige Musik präsentieren muss. Und diese Aufgabe meisterte Heine exzellent.
Auf ganzer Linie konnten die Blind Dates überzeugen – zumindest die, die ich selbst hören konnte. Wenn Musikerinnen und Musiker wie Lukas Kranzelbinder, Robert Landfermann, Pablo Held, Almut Kühne, Edward Perraud, Mark Feldman – um nur einige zu nennen – ungeprobt aufeinander losgelassen werden, sich aufeinander einlassen, dann passiert zumindest Hochinteressantes und Spannendes. Wenn alles passt, dann ergeben sich unvergleichliche musikalische Glücksmomente, wie beim Zusammenspiel von Pablo Held und dem amerikanischen Violinisten Mark Feldman – ein Konzert, das direkt auf eine LP geschnitten gehörte. Oder beim Trio-Konzert der drei exzellenten Bassisten Robert Landfermann, Lukas Kranzelbinder und Jasper Hoiby.
Man konnte also – und so war der Titel des Festivals wohl gemeint, auch wenn die Sentenz im Englischen eigentlich etwas anderes bedeutet– sich wirklich in diesem Festival verlieren und fallen lassen. Mit musikalischen Entdeckungen auf engstem Raum und in kürzester Zeit. Die These vom ganz individuellen Festival wurde zum Schluss schön bewiesen, als der Rezensent einen Fotografenfreund erst Sonntagmittag auf dem Weg zur Abfahrt doch noch traf – er hatte 4 Tage seines ganz eigenen Festivals hinter sich und vermutlich sahen wir beide ziemlich zufrieden aus.
Salzburg und der Altstadtverband können stolz auf diese, ihre Veranstaltung sein. Im kommenden Jahr feiert dieses kulturelle Kleinod seinen 20. Geburtstag und man darf sich schon jetzt wieder auf einige Tage Weltklassejazz freuen.
Urheberrecht Fotos: Frank Schindelbeck Jazzfotografie