Enjoy Jazz eröffnet neue Räume. Gemeint sind nicht nur Klangräume, sondern ganz schlicht im Wortsinne auch neue Spielstätten. Da mit der BASF ein neuer Hauptsponsor für das diesjährige Festival gewonnen werden konnte, spielen sich einige Konzerte in den Räumlichkeiten der Firma ab. So landete James Carter mit seinem Organ Trio im Gesellschaftshaus der BASF in Ludwigshafen.
Der Saal ist optisch eher geeignet für Kammermusik oder Vorträge: Stuck an Decken und Wänden und von der Decke baumelnde Kristall-Lüster.
Die Musik des Trios: brodelnd, manchmal explosiv und wenn es einen Saxophonisten gäbe, der die Lüster von der Decke blasen könnte, dann wäre es James Carter. Vor Jahren konnte ich ihn schon einmal in Moers beim New Jazz Festival im Zelt hören und schon damals war er der Musiker, der mit höchster Energie sein Tenorsaxophon blies. Mit einem fast schon unheimlichen Druck, der immer wieder in wildes Überblasen umschlug. Langgezogene Passagen, die er mit gekonnter Zirkuaratmung in ihrer Intensität noch verstärkte – Musik als reissender Fluß. Damals war er einer der „Young Lions“, ein aggressiv wirkender Bursche in einem Trainingsanzug, bestickt mit dem Logo einer deutschen Brauerei.
Den „angry young man“ hat James Carter längst abgelegt und er dürfte zudem mittlerweile zu den bestangezogenen Jazzmusikern gehören, der gute alte Miles hätte seine Freude daran gehabt.
Nicht nur mit „sharp-dressing“ knüpft er an alte Jazzer-Traditionen an.In den letzten Jahren ist auch sein musikalisches Programm eng mit den Klassikern des Jazz verknüpft. Vor einigen Jahren spürte er auf „Chasin’ The Gypsy“ der Musik von Django Reinhardt nach und verwandelte sie mit ungewohnter Instrumentierung und aberwitzigen Tempi in Musik der 90er Jahre, seine letzte Platte „Gardenias for Lady Day“ war Billie Holiday gewidmet. Ein etwas fragwürdiges Werk auf dem er sich leichtsinnig mit Streichern eingelassen hat, die dem Ganzen einen allzu süßlichen Touch geben.
Auf die aktuelle Formation konnte man sich akustisch nicht vorbereiten, eine CD gibt es noch nicht. Trotzdem war in Ludwigshafen die Gefahr auf ohrenschmeichelndes glücklicherweise gering. Die Besetzung mit (Hammond-) Orgel, Drums und des Meisters verschiedenen Saxophonen ließ Besseres erwarten und die Zuhörer wurden nicht enttäuscht.
Einmal mehr blieb James Carter seiner Linie treu, mehr oder weniger angestaubte Jazzklassiker in „caterian fashion“ zu interpretieren. Musiker wie Eddie „Lockjaw“ Davis, Benny Golson und Billy Strayhorn liefern das Spielmaterial. Spielzeug, über das sich Carter, der Organist Gerard Gibbs und Schlagzeuger Leonard King gleichermaßen eifrig wie inspiriert hermachen. Sie werfen sich die Bälle hin und her, machen akustische wie sprachliche Späßchen und eines ist klar: Das ist Bauch-Musik.
Durchaus mit Sinn für die „Swinghaftigkeit“ der Originale, genauso aber mit der nötigen Respektlosigkeit, die sie vor allzu gefälligen Konzessionen an die mitwippfreudigen Zuhörer bewahrte. James Carter bläst voller Energie, kraftvoll – welcher Saxophonist kann derart Luftsäulen zum Vibrieren bringen – mit rasendm Tempo und virtuoser Technik.
Die Zirkularatmung wird sinnvoll, weniger zirzensisch eingesetzt.
Überblasen, neckische Perkussion-Effekte übers Saxophon-Mundstück –
Carter spielt mit allen Möglichkeiten, die ihm seine Instrumente bieten.
Leonard King ist ein „straight-forward“ Schlagzeuger, der mit Gibbs an
der Orgel den groovenden Background für die musikalischen Eskapaden des
Meisters bereitet.
Eigentlich Musik zum Tanzen, zumindest um sich zu bewegen und da bleibt ein kleiner Kritikpunkt. Der Veranstaltungsort war für das Konzert falsch gewählt. Diese Musik gehört nicht vor ein gesetztes Publikum. Carter tänzelt auf der Bühne und die Hörer sitzen still und lauschen artig – das passt nicht zusammen. So tot ist Jazz noch lange nicht – zumindest nicht von diesem Trio – daß er ein museales Umfeld bräuchte.