Esslingen – Ein wirkliches All-Star-Ensemble in Dieselstraße, und in der „front line“ zwei Altsaxophonisten, welche Jazzgeschichte geschrieben haben: der nun 55jährige Oliver Lake wirkte in dem legendären „World Saxophone Quartet“ mit, während der 1933 geborene Sonny Simmons wichtige Plattenaufnahmen mit Eric Dolphy und Elvin Jones machte. Als künstlerischer Stammgast in Esslingen gilt bereits der vielseitige Bassist Mark Dresser (Jahrgang 1952), und Cindy Blackman (geboren am 18. November 1959 in Yellow Springs) bestätigte sich erneut als überaus kraftvolle Schlagzeugerin.
Unüberhörbar schwingen sowohl bei Oliver Lake als auch bei Sonny Simmons die beiden stilbildenden Altisten Ornette Coleman und Charlie Parker als wesentliche Bezugspunkte mit. Lake intoniert relativ „hot“ und hymnisch, mit seinem schlanken Ton betreibt dagegen Simmons klarere Motivarbeit, obgleich beide Saxophonisten gerne noch rasante Klangströme („sheets of sounds“) versprühen. Zusätzliche Nuancen erhält die Musik, wenn Oliver Lake zum gebogenen Saxophon greift oder als expressiver Vokalist im Tenorregister „shoutet“.
Mit berstender Intensität eröffnete das Quartett sein Clubgastspiel im Kulturzentrum Dieselstraße e.V. – da fühlte man sich an den Free Jazz der wilden 60er Jahre erinnert. Doch zunehmend wurde im Laufe des Abends der swingenden Tradition gehuldigt und reichlich Bebop- und Blues-Elemente einbezogen, sogar lyrische Stimmungen kamen auf. Ebenfalls nicht verpönt blieben liedhafte Phrasen.
Freilich gab es zwischen den beiden eitlen Altsaxophonisten verhältnismäßig wenig interaktive Kommunikation: Sonny Simmons und Oliver Lake ergingen sich da lieber in ausgedehnte, schweißtreibende Soli, aufmerksam unterstützt von dem wendig-virtuos zupfenden Mark Dresser und Cindy Blackman.
Ein Phänomen ist die grazile Cindy Blackman gewiß, wenn sie knallhart die Tom-Toms sprechen läßt – das geht wirklich an sämtliche Trommelfelle. Doch die Dame entzieht sich dann doch nicht der Besenarbeit, und setzt an den metallenen Spannreifen der Drums filigrane „rim shots“ ein.
Improvisation dominierte allenthalben, Notenmaterial war da kaum wichtig. Bei aller Avantgarde vergaß man die afrikanischen Wurzeln nicht. Man nimmt sich im gemeinsamen Quartett von Oliver Lake und Sonny Simmons die Freiheit, sich eigentlich aller Jazz-Stile bedienen zu können, ohne die eigene Identität zu verlieren.