Ein ungarischer Jazz-Botschafter

So wie einst bei Louis Armstrong, so erschienen nun auch bei Attila Zoller makabre Zeitungsenten: noch zu Lebzeiten wurden die beiden Jazzer von voreiligen Printmedien für tot erklärt und in ehrenden Nachrufen gewürdigt. Freilich wußte man von Gitarrist Zoller schon seit etlichen Monaten, daß er von einem schweren Krebsleiden geplagt wurde. Er starb jetzt am 25. Januar um 16 Uhr (Ortszeit) im Grace Cottage Hospital von Townshend (Bundessstaat Vermont). In der Internet-Newsgroup „bluenote“ wurde die Meldung von zuverlässiger Quelle verbreitet und später auch von dpa bestätigt.

Geboren wurde Attila Cornelius Zoller am 13. Juni 1927 in Visegrad/Ungarn. In den fünfziger Jahren war der Sohn eines Musiklehrers als Partner der Pianistin Jutta Hipp, des Posaunisten Albert Mangelsdorff und des Saxophonisten Hans Koller in die Jazzszene Österreichs und Deutschlands bestens integriert. 1959 zog Gitarrist Zoller, der zuvor auch Geige und Trompete gelernt hatte, in die USA um. Dort tat er sich besonders als Dozent bei Jazzkursen hervor und musizierte mit den Stars Benny Goodman, Herbie Mann, Chico Hamilton, Sonny Rollins, Stan Getz und Herbie Mann. Die Verbindung zu seiner europäischen Heimat ließ Zoller nie abreißen. Bei Bölls „Das Brot der frühen Jahre“ und Grass‘ „Katz & Maus“ tat er sich als „ausgezeichneter“ Filmkomponist hervor.

Albert Mangelsdorff sagte einmal über seinen Kollegen: „Attila hat Dinge, die ich spontan spielte, mit seinem unheimlichen Ohr, seinem unheimlichen Einfühlungsvermögen harmonisch sinnvoll gemacht.“

Von Charlie Christians elektrifizierter Bebop-Gitarre und vom Cool Jazz gleichermaßen beeinflußt, zupfte Zoller die Saiten stets technisch gewandt in sachlich-nüchternem Gestus. Er war zudem als Berater für Instrumentenhersteller tätig – Spezialität: „Pick-Ups“. Am 17. Januar 1998 veranstaltete das von Attila Zoller gegründete „Vermont Jazz Center“ in Brattleboro ein Konzert mit der Sängerin Sheila Jordan, zu dem auch der musikalische Direktor des Instituts kommen sollte. Die Ärzte erlaubten ihrem Patienten, das Krankenhaus für einen Auftritt zu verlassen, doch Zoller meinte, daß durch die Einnahme der starken Schmerzmittel die musikalische Qualität leiden könne. Noch vor Weihnachten sagte der Gitarrist in einem Interview, nach der Diagnose von Dickdarmkrebs fühle er sich eigentlich gelassener: „Man bringt hundert Prozent mehr. Ich war immer nervös, wenn ich spielte. Nun bedrückt mich nichts mehr, ich bin frei, um zu improvisieren. Ich bin wie auf dem Trip: wenn ich spiele, fliege ich.“

Genugtuung verspürte Zoller über die offizielle Anerkennung, die ihm aus seinem Geburtsland zuteil wurde. Der 70jährige berichtete voller Stolz, der ungarische Staatspräsident Göncz habe ihm gedankt, weil er seine heimatliche Musik und Kultur in die Welt hinaus getragen und als Emigrant wie Bela Bartok nie die Wurzeln vergessen habe. Zoller: „Jazz ist nun eine wichtige Kunstform, ein Mittel der Kommunikation. Ich wurde zu einem Jazz-Botschafter.“

In Stuttgart war Attila zuletzt 1994 bei den österlichen Theaterhaus-Jazztagen zu hören, in einem Trio zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Lee Konitz und dem Vibraphonisten Wolfgang Lackerschmid.

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