Der Saxophon-Koloss wird jetzt 90 – Sonny Rollins

Am 7. September wird der Saxophonist Sonny Rollins 90 Jahre alt – eine noch lebende aber leider nicht mehr auf der Bühne oder im Studio aktive Jazz-Legende. Nach eigenem Bekunden ist Sonny Rollins „der letzte der ersten Garde des Jazz“. An Selbstvertrauen hat es dem in New York als Sohn karibischer Immigranten geborenen Künstler nie gefehlt, titelte der Tenorist doch schon als Twen eine LP mit „Saxophone Colossus“.

Zuletzt bewegte sich der Zwei-Meter-Hüne auf der Bühne nur noch in gebückter Haltung und geriet zuweilen etwas außer Atem, doch bis ins biblische Alter hinein glänzte er mit unbändigem Spielwillen, Am 10. September 2010, also drei Tage nach seinem 80. Geburtstag, konnte er sich im New Yorker Beacon-Theater – zusammen mit dem mittlerweile verstorbenen Trompeter Roy Hargrove – sein eigenes Ständchen blasen. Immer wieder hatte Theodore Walter „Sonny“ Rollins betont, jeder Tag könne sein letzter sein, deshalb wolle er bei jedem Auftritt sein Bestes geben. Der renommierte Weltstar, der sich bereits als Zweijähriger in abgehörten Radiosendungen von Fats Waller begeistern ließ, war sich immerhin nicht zu schade, höchstpersönlich die gemeinsamen Soundchecks durchzuführen.

Wie einst Miles Davis, so näherte sich auf der Bühne der drahtlos verstärkte Rollins seinen Kollegen, um bei der musikalischen Interaktion auch räumlich ganz eng mit ihnen verbunden zu sein.

Seine vielfach gecoverte Komposition „St. Thomas“ zelebrierte Sonny Rollins trotz „standing ovations“ nicht bei jedem Konzert, aber den lebenslustigen und rhythmisch kantigen Calypso-Hit „Don’t Stop The Carnival“ intonierte er liebend gerne röhrend und inbrünstig. Die Zitatenklauberei aus Klassik und Nationalhymnen gehörte bei dem Tenorsaxophonisten zum leidigen Pflichtprogramm. Gefällige Standards mischt er jedoch kreativ auf – leidenschaftlich, kratzbürstig und zugleich beseelt.

Verwunderung und Erstaunen bei seinem deutschen Publikum löste der inzwischen weißhaarig gewordene Afroamerikaner stets aus, wenn er Friedrich Hollaenders „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ anspielte. Rollins geradezu als bluesiger Engel, ohne Kitsch-Unrat, vielmehr mit professoraler Qualität. Ein erfreulich lange fulminant und frisch blasender Altmeister. Alles Gute wünscht man ihm (in Rundfunksendungen und Presseartikel) jetzt erneut – auch wenn man Sonny Rollins nicht mehr „live“ hören kann. Sein letztes öffentliches Konzert gab er 2012, zwei Jahre später musste er aufgrund einer Lungenerkrankung sein Saxophonspiel einstellen.

Aber Interviews gibt die Gallionsfigur des dynamischen Jazz immer noch gerne. Da sinniert er über (seine buddhistische) Spiritualität und seine täglichen Meditationsübungen, über seinen Glauben an die Reinkarnation sowie über seine frühere Drogensucht.

Hans Kumpf

Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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