Claus Boesser-Ferrari in Schwäbisch Hall

Claus Boesser-Ferrari - Foto: Hans Kumpf

Paraphrasen und Potpourris – Gitarrist Claus Boesser-Ferrari trat in der Haller Hospitalkirche innerhalb der Reihe „Jazztime“ auf

Als Claus Boesser-Ferrari Mitte September 2015 zusammen mit dem Trompeter Thomas Siffling auf Einladung vom städtischen Kulturbüro und örtlichen Jazzclub in Schwäbisch Halls Hospitalkirche konzertierte, überraschte er mit seinen unorthodoxen Gitarrentechniken. Nun wurde der Virtuose erneut vom ehrenamtlichen Programmgestalter Dietmar Winter zu einem Abend in der Reihe „Jazztime“ verpflichtet, und zwar als Solist. Freilich: Boesser-Ferrari gehört nicht der eigentlichen Jazzszene an – sein Wirken ist generell genreübergreifend. Der 1952 im pfälzischen Bellheim geborene Künstler kommt vom Folk her und entwickelte sich inhaltlich und reisend zu einem wahren Weltmusiker mit offenen Ohren für die mannigfaltigen Traditionen sowie für das Neue und Andere.

Zudem integriert Claus Boesser-Ferrari „live“-Elektronik in seine Darbietungen und spannt derart eine Brücke zu Karlheinz Stockhausen als auch zu Jimi Hendrix. Rockelemente tauchen sporadisch auf; Pop-Nummern der Beatles, von Pink Floyd oder von Mongo Santamaria und zeitkritische Lieder wie von Hanns Eisler und Kurt Weill gehören zu seinem Repertoire. Zudem wird Operetten-Komponist Franz Lehár nicht verschmäht.

Und dann hat es ihm die berühmte Winnetou-Filmmusik von Martin Böttcher angetan. Beim Zuhören erscheint dem inneren Auge verträumte Wildwest-Romantik mit Pierre Brice und Lex Barker… Aber auch selbst die Winnetou-Schmachtfetzen veredelt Claus Boesser-Ferrari auf seine individuelle Art und Weise. Allerorten Klangraffinessen auf seinen beiden elektrifizierten Akustikgitarren (6-saitig und sogar 7-saitig) samt Perkussionseinlagen auf dem jeweiligen Korpus. Liebliche Melodienseligkeiten, filigrane Soundtüfteleien und dissonante Attacken verbleiben bei ihm in friedlicher Koexistenz.

Der Abend in der Hospitalkirche begann mit „Polar“, einer Theatermusik, die Claus Boesser-Ferrari über das traurige Schicksal des Südpol-Forschers Robert Scott schrieb. Die Saiten setzte der Gitarrist zunächst durch Reiben an seiner schwarzen Hose und mit einem schnarrenden Taschenventilator in Schwingung und erzeugte so zerbrechliche Klanglandschaften. Dazu viel künstlich geschaffener Nachhall und immer wieder glasreine Sinustöne. Eine dramatische Stimmungslage. Als Ein-Mann-Orchester wechselt Boesser-Ferrari behände zwischen detailliertem „finger picking“ und schlagend akkordischem Spiel auf den Saiten einerseits und frappierend nuancenreichem Getrommel auf dem Holz andererseits.

Sodann ein fließender Übergang zu dem 1967er „The Doors“-Hit „Light My Fire“, den alsbald bekanntlich auch schon der anerkannte Beethoven-Interpret Professor Friedrich Gulda swingend ver- und bearbeitete. Nun furios auf der Gitarre heftiges Akkordgewitter als auch feines Flageolettgezirpe.

Verschiedene „Originals“ und Fremdkompositionen vereinte Claus Boesser-Ferrari in mehreren langandauernden Potpourris. „Erkennen Sie die Melodie?“ stellte sich da dem emanzipierten Rezipienten die Frage. Die Melodien wurden vielmals eher angedeutet – als Paraphrase eben. Alles letztendlich von dem unermüdlichen Solisten präzise organisiert und ohne improvisatorische Überraschungsmomente dargebracht.

Die aufmerksam lauschenden Besucher waren stets in seinen Bann gezogen. Als Zugabe kredenzte Boesser-Ferrari adäquat besinnlich ohne Worte das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ und entließ die fünfzig angetanen Zuhörer in eine wolkenlose Vollmondnacht.

 

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Text und Fotografie von Hans KumpfKumpfs Kolumnen

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