Der Fotograf und Designer Arne Reimer stellte zum Auftakt des Haller Jazz-Art-Festivals seine beiden Bücher über „American Jazz Heroes“ vor. Die interessierten Zuhörer genossen spannende Stories und einmalige Fotos.
Am 14. März 2018 beginnt die heiße Konzertphase des nunmehr 12. Internationalen Jazz-Art-Festivals, zu dem in einer literarischen Veranstaltung schon zünftig „vorgeglüht“ werden konnte. Arne Reimer brachte einer kleinen Runde in der Mensa des Goethe-Instituts älter gewordene Stars von Swing bis Avantgarde nahe.
Bei Konzerten werden die Musiker ja vielfach direkt an ihrem „öffentlichen“ Arbeitsplatz abgelichtet. Die Spezialität von Reimer war und ist jedoch, US-amerikanische Künstler in deren Zuhause zu besuchen, ihnen geduldig zuzuhören und diese in ihrer vertrauten Wohnumgebung zu fotografieren. Bei solcher Art von „Heimspiel“ erzählten die Senioren dem jungen Gast aus Deutschland so manche pointierte Anekdoten und aufschlussreiche Histörchen aus ihrem turbulenten Leben zu früheren Zeiten.
Mit Leib und Seele ist der am 28. November 1972 im schleswig-holsteinischen Rendsburg geborene Arne Reimer bei der mehr oder weniger swingenden Sache. Als Teenager spielte er Schlagzeug und ließ sich 1990 bei einem Hamburger Konzert von dem Free-Jazz-Innovator Ornette Coleman total begeistern. Eine Kamera mit Schwarzweißfilm hatte er damals schon dabei.
Nach dem Abitur studierte Reimer zunächst in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, ehe er nach Boston an der amerikanischen Ostküste wechselte. Dort besuchte er nicht etwa die berühmte akademische Jazzkaderschmiede „Berklee College of Music“, sondern das „Massachusetts College of Art and Design“, das er mit einem „Master of Fine Arts“ abschloss.
Später reiste Arne Reimer immer wieder in die USA, um Jazz-Heroen im fortgeschrittenen Rentenalter in Bild und Schrift zu portraitieren. Die feinsinnigen Reportagen publizierte zunächst die in Köln erscheinende Zeitschrift „Jazzthing“, später entstanden zwei edle Prachtbände quadratisch im legendären 30er Langspielplatten-Format: Mehr nur als simple „Home Stories“ oder gar aufdringlicher Voyeurismus, vielmehr subtiles Einfühlungsvermögen seitens des auch trefflich textenden Fotografen (Reimer: „Es gab kein Geld, mir einen Schreiber zur Seite zu stellen“).
In Hall nun ging der vielgelobte Autor auf 22 Musiker näher ein und projizierte mittels Beamer deren Bildnisse auf eine Leinwand, beginnend mit dem Bassisten Gary Peacock und dem Vibraphonisten Bobby Hutcherson (1941-2016) und endend mit dem revolutionären Pianisten Cecil Taylor sowie dem Altsaxophonisten Ornette Coleman (1930-2015).
Überhaupt kein Glück hatte Arne Reimer bei dem multistilistischen Saxophonisten Sam Rivers (1923-2011). Dessen Tochter wollte nämlich vorab für ein Meeting mit dem prominenten Dad sage und schreibe tausend Dollar verlangen. Ganz im Gegensatz dazu überaus herzlich geriet die Aufnahme bei Horace Parlan (1931-2017). 1983 emigrierte der unermüdliche Pianist, dessen rechte Hand infolge einer Kinderlähmung teilweise verkrüppelt war, nach Dänemark und bereicherte sodann wesentlich die europäische Jazzszene. In einem Pflegeheim traf Arne Reimer den verwitweten alten Herrn drei Jahre vor dessen Tod – bestens gelaunt und humorvoll trotz Blindheit und Rollstuhl.
Nicht ohne Grund konstatierte Dr. Uli Olshausen, früher Jazz-Redakteur beim Hessischen Rundfunk, in der FAZ: „Ein Jazzbuch wie dieses hat es noch nie gegeben. Zukünftige Jazzlexika können nicht mehr ohne Rückgriff auf diesen Band geschrieben werden.“
Und der eloquente Arne Reimer bekannte zum Schluss seiner mit viel freier Rede gewürzten knapp zweistündigen Lesung in Schwäbisch Hall: „Ich lasse die Musiker sprechen und nehme mein Ego vollständig zurück.“
Info
Im Internet kann man die beiden Bildbände von Arne Reimer virtuell durchblättern: http://www.americanjazzheroes.de
Text und Fotografie von Hans Kumpf – Kumpfs Kolumnen