Der sperrige Thelonious Monk ist wohl eine Schlüsselfigur für das Piano-Spiel von Uwe Oberg. Der eruptive Cecil Taylor offensichtlich eine andere. Und der Blues ist nach wie vor noch der kleinste gemeinsame Nenner für alle Jazzer. „Luhsbluhs“ steht für den verlorenen Blues, der sich in einer dialektischen Aufhebung zwischen Monk und Taylor bei Oberg wiederfindet. So sitzt der 42-jährige Wiesbadener Pianist in der intimen Atmosphäre der Rüsselsheimer Opel-Villen hinter dem mächtigen Flügel, konzentriert, den Mund mal leicht verkniffen, dann wieder schelmisch lächelnd, und windet sich bei den Akkord-Clustern und Single-Note-Tupfern, die er aus den Tasten heraushämmert. Oberg ist ein Pianist, der voller Energie selbst in den suchenden und tastenden Griffen stets kraftvoll anschlägt.
Der Flügel ist ein Flügel und doch nicht nur ein Flügel. Uwe Oberg verfremdet seine Klänge mit Münzen und Schrauben, reißt die Saiten mit Blättchen und Fingern an, lässt ihn wie eine überdimensionierte Zither klingen, zaubert Kirchenglockenklang mit Klöppeln und reibt aus den Stahlsaiten fernöstlich-exotische Stimmungen. So sucht der Pianist nach neuen Klängen, die er in einen spielerischen Kosmos einbindet.
„Olo, Olo“ nennt Oberg seine Komposition für das Daumenklavier und den präparierten Flügel, ein Klangfarbenspiel, das schließlich aus dem Inneren des Instruments auf die Klaviertasten zurückführt, in einer rollenden Bass-Hand und spitzen Single-Notes mündet, sich scheinbar endlos fortführen lässt – bis der Pianist mit den Worten „und so weiter“ selbst ein Ende setzt.
Der Abend beginnt logischerweise mit einem retardierenden Akkordspiel, das in Single-Note-Figuren mündet. Mit kraftvollem und dennoch dynamisch nuanciertem Anschlag lässt Oberg die Improvisationen laufen, verschleppt den Rhythmus, legt mit der linken Hand swingende Bassfiguren unter die Triller und Melodiefragmente der rechten. Zwischendurch glaubt der Zuhörer Jahrmarktsklänge zu vernehmen. Vor allem aber weckt das Spiel Assoziationen an Monk, dessen Kompositionen Uwe Oberg die Inspirationen für diese Improvisationen lieferten.
Jimmy Giuffre, Klarinettist, Saxophonist und Flötist, wird der Pianist mit einer langsamen, einhändigen, verspielten Intro gerecht. Einzelnoten in den hohen Lagen und Bass-Ostinati werden von Pausen unterbrochen, die mitklingen und so zum Bestandteil des Spiels werden.
Dem amerikanischen Komponisten und John-Cage-Freund Morton Feldman widmet Oberg ein Stück mit beidhändigen Cluster-Attacken, mit Ton-Trauben und rasenden Griffen in den High-Notes – wo doch Feldman eher sensible und auf Bildstrukturen anspielende Musiken komponiert hat. Schließlich kommt noch ein verfremdeter Duke Ellington zu Wort, bevor der Pianist die Solo-Ausflüge mit einem fragmentierten Blues beschließt.
Die Suche nach Klangfarben und Spielformen ist ehrlich und überzeugend. Uwe Oberg lässt sich nicht kategorisieren. Und das ist gut so.